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Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition)

Titel: Gruppenbild mit Dame: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Böll
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Liebeserlebnis intensiver Art nicht wahrgenommen,
     wenn – Der Verf. behauptet: sie hätte es wahrgenommen, auch wenn ...
    Ganz sicher wäre A., der gewiß auch mit zweiundfünfzig noch ein schöner Mann gewesen sein würde und durch das Pfeifferhaar
     vor Kahlköpfigkeit bewahrt, durchaus fähig gewesen, in Mangelsituationen sich etwa im Bonner Münster oder im Kölner Dom als
     Ministrant anzubieten; und wohin mit schönen Generalen, die gekonnt Meßbücher schwenken, Lavabo-Wasserkannen und Weinkännchen
     demütig hinhalten? Wohin damit? Nehmen wir an, Leni wäre, wenn ihm auch nicht treu, so doch »bei ihm geblieben« und hätte
     hin und wieder ihrer ehelichen Pflicht genügt. Hätte sie dann, mit drei oder vier »süßen« Kindern, A. als General-Ministrant,
     am 10. Oktober 1956 an jenem ersten (und nicht letzten) Bundeswehrgottesdienst teilgenommen, den Kardinal Frings in der Gereonskirche
     zu Köln zelebrierte? Der Verf. behauptet: Nein. Er sieht Leni dort nicht, A. sieht er dort, sogar die »süßen« Kinder, nicht Leni. Wo er A. außerdem sieht – |154| auf Titelblättern von Illustrierten oder mit den schönen Herren Nannen und Weidemann bei irgendeinem Ostblockempfang. Er –
     der Verf. – sieht A. als Militärattaché in Washington, sogar in Madrid – aber nirgendwo sieht er Leni, schon gar nicht in
     der Gesellschaft der schönen Herren Nannen und Weidemann. Es mag an der seherischen Unfähigkeit des Verf. liegen, daß er A.
     überall da sieht, Leni nicht – sogar ihre Kinder sieht er da, sie selbst sieht er nicht. Gewiß ist die seherische Kraft des
     Verf. minimal, aber warum sieht er dann A. so deutlich und Leni nirgendwo? Da es irgendwo im Weltall gewiß einen noch nicht
     entdeckten unbekannten Flugkörper gibt, in dem ein Riesencomputer, wahrscheinlich von der Größe Bayerns, installiert ist,
     der hypothetische Lebensläufe nur so ausspuckt, müssen wir wohl warten, bis dieses Ding endlich entdeckt ist. Ganz sicher
     ist, Leni wäre, hätte sie sich selbst oder ein anderer sie gezwungen, ihr Leben an A.s Seite fortzusetzen, sie wäre vor Kummer
     korpulent geworden und läge heute nicht dreihundert Gramm unter, sondern zehn Kilogramm über ihrem Idealgewicht, und nun bedürfte
     es wieder eines Riesencomputers, von der Größe Nordrhein-Westfalens, der auf Sekretionskontrolle spezialisiert wäre und herausfinden
     könnte, auf Grund welcher innerer und äußerer Vorgänge eine Existenz wie Leni hätte korpulent werden können. Sieht man Leni
     als Attachésgattin in Saigon, Washington oder Madrid tanzen, Tennis spielen? Eine dicke Leni möglicherweise, die, die wir kennen, nicht.
    Schade, daß die himmlischen Instrumente, die jede nicht geweinte T., die allen S., alle G., jedes W., G., die L.1 und L. 2
     in Über- oder Untergewicht umrechnen, noch nicht entdeckt sind. Es ist so unaussprechlich schwer, Leni irgendeinen Irrealis
     anzuhängen, aber da es diese Computer doch gibt, warum läßt die Wissenschaft uns im Stich (was die Lexika nicht tun)?
    |155| Wenn der Verf. also A.s hypothetische Karriere mit fast kristallener Klarheit sieht, Leni sieht er nirgendwo, er sieht sie
     – offengestanden – nicht einmal bei der Erfüllung irgendwelcher ehelichen Pflichten.
    Schade, schade, daß die himmlischen Instrumente noch nicht zugänglich sind, die die biblische Frage beantworten würden: Sage
     mir, wieviel du zuviel oder zuwenig wiegst, und ich sage dir, ob zuviel oder zuwenig T., W., L.1, G., S. und L. 2 in deinem
     Magen, deinem Gedärm, in Hirnstamm, Leber, Niere, Bauchspeicheldrüse dein irriges Tun und Fühlen in jenes Zuviel oder Zuwenig
     umsetzen. Wer beantwortet die Frage, was Leni wöge, wenn
    zweitens: Erhard allein den Krieg überlebt hätte
    drittens: Erhard und Heinrich
    viertens: Erhard, Heinrich und A.
    fünftens: Erhard und A.
    sechstens: Heinrich und A.
    Sicher ist nur, daß, falls Erhard überlebt hätte, jenes noch unentdeckte himmlische Instrument über Lenis Körpergewicht gejubelt
     hätte (auch Computer jubeln), über die phantastische Balance von Lenis Sekretion. Und – die allerwichtigste Frage: Wäre Leni
     in den Fällen 1 bis 6 je in Pelzers Gärtnerei geraten, und wenn Konflikte, wie wäre sie derer Herr geworden?
    Es besteht jedenfalls Grund, Lenis hypothetisches Zusammenleben mit A. skeptisch zu beurteilen, während das von Leni offensichtlich
     in schleswig-holsteinischem Heidekraut geplante Treffen ganz gewiß gut ausgegangen wäre. Sicher ist auch,

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