Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
noch einmal an das Fenster und Ronnie hörte ein schlüpfriges Flüstern. Er hoffte, dass die Klauen ihre Arbeit schnell erledigten, damit er ohne große Schmerzen sterben konnte.
Er ertrug ohnehin schon genug Schmerzen. Seine gebrochene Nase, die Beule in seinem Gesicht, wo ihn Whizzer geschlagen hatte, der Steinklumpen in seiner Brust. Zumindest würden diese Schmerzen verschwinden. Bald würde Jesus kommen und ihn an der Hand nehmen und mit ihm in den Himmel schweben, wo es ein Heilmittel für jede Art von Schmerz gab. Weil Ronnie glaubte.
Oder etwa nicht, Ronnie?
Er ging einen weiteren unsicheren Schritt Richtung Fenster. Er konnte in der Dunkelheit hinter der Scheibe nichts erkennen. Alles, was er sah, war sein eigenes Spiegelbild und das erleuchtete Kinderzimmer. Es war besser so. Wenn er das Glockenmonster sah, würde er schreien, Tim würde aufwachen, Dad würde hereinkommen und das Glockenmonster würde sie alle kriegen. Oder Dad würde das Glockenmonster töten und dann müssten sie alles noch einmal machen, Nacht für Nacht, immer wieder, bis die Prüfung bestanden war.
Deshalb öffnete er die Sperre am Rahmen, hielt den Atem an und schob das Fenster langsam nach oben. Es quietschte in seinem Rahmen und die kalte Nachtluft floss durch den Spalt nach Innen und kühlte Ronnies Bauch. Er verkrampfte und wartete mit geschlossenen Augen darauf, dass die Klauen seinen Bauch aufreißen würden. Nichts passierte, also öffnete er das Fenster noch ein paar Zentimeter.
»Ronnie«, kam das Flüstern.
Mom.
Erleichterung durchflutete seinen Körper, eine Wärme, die derjenigen glich, wenn Jesus in sein Herz einzog. Aber was machte Mom da draußen mit dem Glockenmonster?
Verwirrt öffnete Ronnie die Augen. Das Licht aus dem Zimmer strömte auf Moms Gesicht. Sie sah überhaupt nicht verängstigt aus. Sie lächelte und legte einen Finger auf ihre Lippen. »Schhh. Wo ist dein Dad?«
Ronnie senkte den Kopf, bis er nah bei ihrem war. »Im Wohnzimmer. Er denkt, dass das Glockenmonster diesmal durch die Haustür kommen wird.«
»Komm«, sagte sie und winkte ihm zu, dass er rauskommen sollte.
»Wohin gehen wir?«
»Zur Kirche.«
Zur roten Kirche. Mitten in der Nacht. Vielleicht hatte Dad Recht. Vielleicht war Mom wirklich durchgedreht.
»Hol Tim«, sagte sie.
»Tim?« Er blickte zurück zu seinem Bruder. Tim stöhnte in seinem Schlaf, weil er etwas Schlechtes träumte. »Warum muss Tim mitkommen?«
»Er gehört dazu.« Ihre Augen waren seltsam hell. »Wir alle gehören dazu.«
»Was ist mit Dad?«
Moms Augen wurden schmaler. »Er ist kein Mitglied der Gemeinde.«
Ronnie wollte anmerken, dass er und Tim ebenso wenig Mitglieder waren. Mom lächelte erneut und es war das alte Lächeln von Mom, dasjenige, das verkündete Alles wird gut werden und Mom wird es küssen und es wird vergehen und Ich liebe dich mehr als alles auf der Welt .
»Ich fürchte mich vor der roten Kirche«, sagte Ronnie.
Sie nahm das Fliegengitter ab, langte durch das offene Fenster und drückte sanft Ronnies Schulter. »Liebling, es ist so wunderbar. Du weißt, wie gut es sich anfühlt, in der Ersten Baptistengemeinde zu sein?«
Ronnie nickte.
»Nun, das hier ist hundert Mal besser. Es ist, als ob Gott im gleichen Raum mit dir ist. Keine Schmerzen mehr, kein Ärger, keine irdischen Sorgen. Nichts als ewiger Friede.«
In der roten Kirche zu sein hörte sich mehr und mehr an, wie tot zu sein. Aber Ronnie dachte sich, wenn er nur dieses eine Mal mit Mom ginge, konnte er herausfinden, warum sie den Ort so sehr mochte. Außerdem würde sie nicht zulassen, dass ihren Söhnen etwas passierte. Sie würde Tim vor dem Glockenmonster und anderen schlechten Dingen schützen,und sie würde Ronnie helfen, die Prüfung zu bestehen.
Er weckte Tim, eine Hand über dessen Mund legend, bevor er schreien konnte. »Mom ist hier«, flüsterte er. »Wir müssen zur Kirche gehen.«
Tims Lippen bewegten sich unter Ronnies Hand, also nahm er sie weg. »Warum müssen wir zur Kirche gehen?«, fragte er verschlafen.
»Warum müssen wir jemals zur Kirche gehen? Weil wir müssen , deshalb. Mom ist hier, um uns abzuholen.«
Bei der Erwähnung von Mom wurde Tim hellwach und setzte sich auf. »Sie ist hier?«
»Am Fenster.«
»Hi, Süßer«, sagte sie. »Jetzt beeilt euch, bevor euer Dad etwas hört. Ihr müsst euch nicht umziehen. Wir werden nicht lange bleiben. Zieht nur eure Schuhe an.«
»Sollten wir es nicht Dad sagen?«, fragte Tim.
»Er würde nur
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