Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
schwamm da in–
Finger. Sie haben meine Finger abgeschnitten und sie an mich verfüttert.
Dads Worte hörten sich an, als ob sie durch Watte gedämpft wurden. »Was zur Hölle ist das ?«
»Hol eine Schwester.« Mom wedelte hilflos mit den Händen.
Der Luftzug der sich öffnenden Tür strich wieder über Ronnie, aber diesmal brachte er kein Behagen. Ronnie lehnte sich in die aufgerichteten Kissen zurück.
Eine übermüdet wirkende Krankenschwester blickte in die Schüssel. »Oh, das sind Finger von OP-Handschuhen. Die Ärzte füllen sie mit Mullbinde und benutzen sie zum Ausstopfen der Nase.«
»Wie sind sie in seinen Magen geraten?« Die Stimme seiner Mutter war ein dünnes Kreischen.
»Die Tamponaden müssen sich durch die Rachenöffnungen bei den Eustachischen Röhren hinuntergearbeitet haben. Ich bin mir sicher, dass Sie sich keine Sorgen machen müssen.«
»Keine Sorgen machen?« Dads Stimme war laut genug, um Ronnie Kopfschmerzen zu bereiten. »Es ist ja auch nicht Ihr Kind da im Bett, oder?«
Die Schwester brachte ein erzwungenes Lächeln hervor, von dem Ronnie vermutete, dass sie es auch zur Schau stellte, wenn sie jemandem Medikamente verabreichte, der die Woche nicht überleben würde. Ein Lächeln, das ganz klar sagte: Wenn es irgendeinen anderen Job in Pickett County gäbe, der ebenso gut bezahlt wäre, könnte er von mir aus Gummifinger kotzen, bis er daran erstickt.
Aber alles, was sie sagte, war: »Ich sehe nach, ob ich den Arzt finde.«
Nachdem sie gegangen war, sagte Mom: »Du hättest nicht so laut werden sollen.«
»Halt den Rand.«
»David, bitte. Denk an Ronnie.«
Ronnie kümmerte sich nicht um den Streit. Die Erleichterung, dass die Übelkeit vorüber war, war so groß, dass er auch eng umschlungen mit dem Schmerz-Raufbold einen Blues getanzt hätte, so gut fühlte er sich. Und es war egal, dass sich mehr Schweiß in seinem Nacken und in seinen Achselhöhlen gebildet hatte und seinen Rücken hinunter lief – Hauptsache, die Schlangen in seinem Bauch hatten sich verzogen.
Durch den Akt des Erbrechens war auch sein Kopf ein wenig klarer geworden. Das brachte allerdings nicht nur Vorteile mit sich. Denn nicht nur, dass die guten, ausgreifenden Gedanken verschwunden waren, an ihre Stelle waren Erinnerungen getreten.
Bevor sie ihn in den OP gerollte hatten, hatte sich der Sheriff mit ihm über das unterhalten, was bei der roten Kirche passiert war. Es war an sich schon furchteinflößend genug, mit einem Polizisten zu sprechen, vor allem mit einem, der einen Bürstenhaarschnitt trug und dessen Gesicht aussah, als sei es aus Stein gemeißelt. Aber der Sheriff wollte, dass sich Ronnie an das, was passiert war, erinnerte, während er sich doch eigentlich viel lieber mit dem Vergessen beschäftigt hätte.
Das Vergessen des nassen, platschenden Geräuschs, das sein Schuh gemacht hatte, als er den Fuß aus dem Friedhofsgriff befreite.
Das Vergessen des rohen, blutigen Armes, der um den Grabstein langte.
Das Vergessen des Gelächters, das aus dem Glockenstuhl der roten Kirche herübergeflattert war.
Schließlich ging der Sheriff und man hatte Ronnie in den Operationssaal gerollt. Dann kamen die Nadel und die Maske und die ausgreifenden Gedanken und die Dunkelheit.
»Wie fühlst du dich, Liebling?«
Er sah seine Mutter an. Ihre Haare waren schlaff und strähnig, von mattem Kastanienbraun. Sie sah aus wie einhundertzwölf, noch älter als Mama Bet McFall, die verrückte alte Frau, die weiter die Straße entlang von der Farm der Days wohnte.
»Besser«, flüsterte er und die Luft seiner Stimme kratzte im Vorbeiströmen in seinem Rachen.
Die Tür öffnete sich wieder und Ronnie reckte den Hals. Der Arzt pfiff eine abgehackte Melodie durch die Scheuerbürste seines Schnauzbarts. Ronnie wollte darauf wetten, dass es ein Song von Michael Bolton war. Oder sogar etwas noch Lahmeres. Ronnie war fast schon froh darüber, dass seine Nase verstopft war. Er hätte doppelten Einsatz darauf gesetzt, dass der Mann schwuchteligen Männerduft verbreitete. Er ließ seinen schweren Kopf auf das Kissen zurückfallen.
»Ich habe gehört, du hattest einen kleinen Vorfall«, sagte der Arzt.
Vorfall? War das der medizinische Fachbegriff für das Erbrechen von Fingern?
»Jetzt geht’s mir gut«, sagte Ronnie keuchend, vor allem weil sich der Arzt jetzt über ihn beugte und nach seiner Nase langte. Und auch wenn ihn das Schmerzmittel noch betäubte, war er klug genug zu wissen, dass eine Berührung dort
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