Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
herumgeschubst wurden. »Ich bin Archer McFall«, sagte er mit einer Stimme, die einem Gebrauchtwagenverkäufer alle Ehre gemacht hätte.
»Archer. Lester hat mir gesagt, dass Sie wieder hierherziehen werden.« Littlefield blickte zu Lester, der sich plötzlich überaus interessiert an der abblätternden Farbe der Ladefläche seines Transporters zeigte.
»Nun, Sheriff, jeder liebt diese Berge«, sagte Archer. »Sie gehen einem ins Blut über.«
»Und Sie haben diese Kirche hier gekauft?«
»Ja, Sir. Ich werde sie wieder öffnen. Gottes Werk wurde in dieser Gegend zutiefst vernachlässigt. Die Menschen haben ein tiefes Bedürfnis nach seiner Botschaft und seinem Willen. Dass wir einen Mörder unter uns haben, ist nur ein weiteres Zeichen dafür, wie tief wir gefallen sind.«
Littlefield nickte. Er wusste nie, wie er sich in Gegenwart eines Predigers verhalten sollte. Er hatte immer einen Anflug von Schuldgefühlen wegen seiner Sünden und seiner unregelmäßigen Gottesdienstbesuche, aber normalerweise strahlten Geistliche eine Aura nachsichtiger Ruhe aus. Mit Archer fühlte er nichts als die Schuld.
»Kommen Sie herein, Sheriff. Stellen Sie sicher, dass sich hier kein Mörder verbirgt. Wir können nicht zulassen, dass sich ein Satan im Haus Gottes verbirgt.«
Plötzlich wollte der Sheriff nicht mehr eintreten. In seinem Inneren konnte er das flattrige Halloween-Gelächter seiner Kindheit hören. Die Bretter bewegten sich hin und her, sie griffen nach ihm, die Kirchentür war ein Mund, er würde verschluckt werden wie Jonas, der im Bauch des Wals landete. Wie sein Bruder Samuel.
Er schwankte benommen und fühlte den festen Griff des Predigers an seinem Unterarm. »Geht es Ihnen gut, Sheriff?«
»Uhh...« Littlefield rieb sich die Schläfen. »Zu wenig Schlaf in der letzten Zeit. Diese verdammten – entschuldigen Sie, Pastor – diese vermaledeiten Mordfälle scheinen mir zu schaffen zu machen.«
»Es liegt Ruhe im Gebet, Sheriff. Sie werden den Mörder finden. Alles zu Gottes Zeit.«
Littlefield fühlte, wie sich seine Füße nach vorne bewegten, fast gegen seinen Willen, und dann war er in der Kirche. Das meiste Heu war schon verschwunden. Die handgemachten Bänke, die am Vortag noch an einer Wand aufgestapelt gewesen waren, befanden sich nun unregelmäßig über den Boden verteilt. Besen, Heugabeln, Wischlappen und Eimer waren im Altarbereich verstreut. Der Raum roch nach Kerzenwachs. Sie hatten an diesem Morgen viel geschafft.
Oder hatten sie die Nacht über gearbeitet?
Hinter ihm nahmen Lester und Linda ihre Arbeit wieder auf. Eine Frau erschien aus dem kleinen Seitenflügel neben dem Podium. Littlefield kannte ihr Gesicht, aber er wusste ihren Namen nicht. Sie nickte ihm kurz zu und begann dann, das Pult abzustauben. Littlefield hatte das Gefühl, niesen zu müssen, aber er rieb seine Nase so lange, bis der Drang vorüber war.
»Sieht so aus, als ob Sie bald für einen Gottesdienst bereit sein werden«, sagte Littlefield.
»Es gibt verschiedene Arten von Dienst, Sheriff. Ich arbeite für Gott, Sie arbeiten für die Menschen. Aber auf gewisse Weise sind wir uns sehr ähnlich.«
»Auf welche Weise?«
»Wir wissen beide, dass diese Kirche mehr ist als nur Nägel und Kastanienholz und geriffeltes Glas.«
Littlefield versuchte erneut, in den Augen des Mannes zu lesen. Die Iriden glitzerten wie trübe Diamanten mit vielen Facetten und hinter jeder Facette verbarg sich ein Geheimnis. Archer war sicherlich sehr gut mit den Legenden vertraut, die über Generationen hinweg in seiner Familie weitergegeben wurden. Sie waren die Ursache, weshalb Archer als Kind verprügelt wurde. Dass er nach solch einem Leiden noch seinen Glauben an Gott bewahren konnte, war an sich schon ein Wunder.
»Mein Vater hat immer gesagt: ›Es sind die Menschen, die eine Kirche ausmachen‹«, sagte Littlefield.
Archer lächelte und präsentierte dabei perfekte weiße Zähne. »Er war ein weiser Mann.«
»Haben Sie keine Angst davor, was die Leute sagen werden, wenn Sie die Kirche wieder öffnen?«
»Gott hat Daniel aus der Löwengrube gerettet. Er hat Isaak vom Opferaltar Abrahams gerettet. Warum sollte ich weniger erwarten?«
»Nun, zum Einen kam es für Abraham nie hart auf hart, weil er den Todesstoß nicht ausführen musste. Und Daniel hatte keinen Ururgroßvater namens Wendell McFall.«
Der Prediger ließ ein Lachen ertönen, das tief aus seinem Zwerchfell kam. Das Geräusch wurde im hölzernen Gewölbe der Kirche
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