Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
anderen weggefahren, auch der Trooper des Sheriffs. Als letztes war diese Polizistin mit ihrem Streifenwagen verschwunden, vor etwa einer Stunde.
Armer alter Zeb. Und vor ihm Boonie. In Kalifornien waren die Morde nicht so brutal, so beiläufig gewesen. Aber David hatte keines der Opfer dort gekannt. Boonie und Zeb gehörten dem Bergvolk an. Es waren seine Leute, die diesmal starben, keine namenlosen Langhaarigen und Herumtreiber.
Archer war dabei, eine Gefolgschaft um sich zu scharen, genau wie er es in Kalifornien gemacht hatte. Und David hatte gelernt, dass es nur zwei Arten von Menschen gab, die Archer McFall folgten: die Toten und diejenigen, die es bald sein würden.
David hob sein Marlin-Gewehr und blickte durch das Zielfernrohr, während das Waffenöl einen starken, beruhigenden Geruch verbreitete. Durch das vergrößernde Objektiv sah er Lester an der Kirchentür. Das puterrote Gesicht des Mannes befand sich genau im Fadenkreuz. David bewegte das Zielfernrohr und sah Becca Faye Greene, ihr Lächeln eine Verzückung aus Lippenstift. Ein weiterer Schwenk und Lindas Gesicht füllte den kleinen Kreis des Zielfernrohrs aus.
Linda.
Sie hatten sich in der neunten Klasse kennengelernt, ein Junge vom Buckhorn Mountain und ein Mädchen von einer Farm im Tal. Die Days waren wie die meisten der Familien, die auf der Rückseite des Buckhorn lebten, Nachkömmlinge von Sympathisanten mit den Nordstaaten. Einige der Menschen in dieser Gegend hegten noch immer einen Groll, diejenigen, die die Südstaatenflagge auf ihren Nummernschildern hatten und Sommertouristen als Invasoren betrachteten. In heruntergekommen Bars im ganzen Bezirk wurde der Bürgerkrieg jeden Freitagabend aufs Neue zum Leben erweckt.
Ob er nun ein Day war oder nicht, Linda hatte ihm erlaubt, ihre Schulbücher aufzuheben, als sie ihr beim Aussteigen aus dem Schulbus in den Dreck gefallen waren. Sie hatte dicke Bücher, Mathe und Gemeinschaftskunde. Alles, was David hatte, war ein Handbuch für Autoreparaturen und Pläne für einen Schreibtisch aus Holz.
Sie hatte ihr Haar mit einer Hand nach hinten geschoben und ihm tatsachlich ins Gesicht geblickt. Ihre Augen waren tief und blau und schienen seine Haut zu durchdringen, so dass sie alles sehen konnte, was er verbergen wollte. Er erwiderte den Blick und grinste wie ein kranker Maulesel. Seine Hände fühlten sich an, als ob sie aus Holz wären, als er ihre Bücher an seiner Hose abwischte.
»Danke«, sagte sie lächelnd. Ihre Zähne waren nur ein kleines bisschen schief, gerade genug, dass David nicht verlegen wurde. Er gab ihr die Bücher. Sie ging davon und ihr Körper bewegte sich anziehend in ihrem knielangen Kleid.
Er hatte das Geheimnis dieser Kurven gelöst, auch wenn es Jahre gedauert hatte. Aber das Warten war keineswegs eine verlorene Zeit gewesen. David wusste, dass sie gelbe Zucchini lieber mochte als Birnenkürbis, und sie hatte nicht über seinen Traum von einer eigenen Sägemühle gelacht. Sie mochte Bob Seger, und David mochte ihn auch ein wenig. Sie weinte jedes Mal, wenn ein Rind geschlachtet wurde. Er weinte jedes Mal, als einer seiner beiden Jungs auf die Welt kam.
Durch das Zielfernrohr betrachtet waren ihre blauen Augen feucht und leuchtend. Aber an die Stelle der Tiefe war ein flacher, glasiger Blick mit geweiteten Pupillen getreten. Sie war verängstigt oder aufgeregt oder erregt. Oder vielleicht alles zusammen. Genau, wie sie in Kalifornien geblickt hatte.
David schwenkte den Gewehrlauf leicht nach rechts. Archer lächelte in das Fadenkreuz des Zielfernrohrs. Der Prediger blickte durch das Objektiv auf David, als ob der Vergrößerungsprozess irgendwie umgekehrt worden wäre und David nun die Beute und Archer der Jäger war. David schauderte, blinzelte und dann war die Illusion vorüber.
Er konnte das Gewehr nicht ruhig halten. Aus dieser Entfernung würde die Kugel vom Kaliber .30-06 nur wenige Zentimeter auf ihrer Geschossbahn absinken. Die heiße Kugel würde in Archers Brust eindringen, sein Herz zerfetzen und seine Rippen zerschmettern. Und dann?
Er stellte sich vor, wie Linda herumschrie, mit dem Blut und Fleisch ihres Messias bespritzt. Sie würde neben Archer knien, umringt von den anderen Anhängern, während sein Todeszucken ein Ende fand und sein Blut kalt wurde. Dann würde sich ihr Jammern erheben und den dunkel werdenden Himmel ausfüllen, der Mond würde wehklagen, die rote Kirche würde aus Kummer aufheulen. Genau wie es der Legende nach geschehen war,
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