Grusel Box: Drei Mystery-Thriller (German Edition)
fallen.
Nein, nicht auf seine Hände. Seine PFOTEN.
Archers Anzug platze auf und rotbraunes Fell wuchs aus der Haut des Predigers. Die Kreatur bewegte sich einen Schritt nach vorne und entledigte sich der Schuhe Archers. Ihre dicken Krallen bohrten sich in den Boden, durch die Socken.
Ein Puma.
David hatte ihr Geschichten von ihnen erzählt, ihr Vater hatte sie gejagt und die Siedler in den Appalachen fürchteten sie so sehr, dass sie Stoff für Schauergeschichten am Lagerfeuer wurden. Aber alle Pumas waren tot.
Sie hatte niemals daran gezweifelt, dass Archer zu Wundern fähig war. Nun, mit diesem unleugbaren Beweis, gab sie sich ihm völlig hin. Sie fiel vor der mächtigen Wildkatze auf die Knie und senkte den Kopf. Zitternd wartete sie auf das gewaltige Knirschen der Zähne oder den schnellen Schlag ihrer Tatzen, je nachdem, welche Methode Archer für angemessen hielt. Die Erlösung bedurfte der Opfer, hatte ihr Archer gesagt, und sie war dazu bereit, das größte von allen zu bringen.
Jesus verteilte Brot und Fische und ging auf dem Wasser. Große Sache. Aber Jesus war immer nur Jesus gewesen. Das bewies, dass Archer besser war, der wahre Heiland, der wirkliche Sohn Gottes. Das bewies, dass Archer Herr über Atome und Zellen und all das andere unsichtbare Zeug war, das aus den Dingen das machte, was sie waren.
Das Tier knurrte noch einmal, ein tiefes, rumpelndes Geräusch in seiner Brust. Es bewegte sich vorwärts und schnüffelte an Linda. Unwillkürlich zitterte sie, als sie den warmen, feuchten Atem im Nacken spürte.
Bitte lass es nicht wehtun, Archer.
Der Puma wartete. Der Himmel war nun eine Spur heller, ein dunkleres Blau aus dem Osten verdrängte das Schwarz. Im Wald herrschte Stille, alles war verstummt in dem Augenblick vor der Dämmerung, wenn sich die tag- und nachtaktiven Tiere abwechselten. Das sanfte Atmen der Wildkatze war das einzige Geräusch außer dem Pochen von Lindas Herz.
Die Wildkatze entfernte sich und bewegte sich zu dem noch immer bewusstlosen Sheriff. Linda spürte einen Anflug von Enttäuschung, aber auch einen Rausch der Erleichterung.
Also bleibe ich verschont. Ich verspreche dir, dass ich einen Zweck erfüllen werde, wenn du mich leben lässt, Gott. Du brauchst mich hier, damit ich Archer diene und ihm helfen kann zu tun, was immer auch getan werden muss, um die Welt zu retten. Um Jesus und Satan für immer zu besiegen.
Sie beobachtete, wie die Wildkatze ihren Kopf zum Hals des Sheriffs senkte.
Kapitel 13
Das Haus war finster, als Linda die Zufahrt hochfuhr. Das bedeutete, dass die Jungs schliefen. Es war ihr unangenehm, sie so zu vernachlässigen, wie sie es getan hatte, aber Archer benötigte sie mehr als die Jungs. Ein Diener sollte nur einen Herrn haben, sagte Archer immer. Und Gott war ein eifersüchtiger Gott.
Sie war an der Leiche am Straßenrand vorbeigekommen. Vermutlich hatten auch andere Gemeindemitglieder sie gesehen und nur in sich hinein gemurmelt: »Es muss große Opfer geben.« Linda erkannte Davids Jacke, die die Leiche bedeckte. Also hatte ihr Ehemann herumgeschnüffelt.
Sie hoffte, dass er ihnen nicht in die Quere kommen würde. Wenn David sie in Ruhe ließ, würde Archer ihn vielleicht verschonen. David hatte sich in die Gregg-Familie eingeheiratet und sich das Geburtsrecht nicht mit Blut verdient. Die Days gehörten nicht zu den alten Familien, deshalb schuldeten sie der roten Kirche keinen Tribut und hatten keine Schuld auf sich geladen, die sie begleichen mussten.
Sie stieg aus dem Auto und atmete die frische Luft ein. Die Gerüche der Farm, frisch bearbeiteter Boden, Heu und Hühnermist, hatten sie immer beruhigt. Das war eine Ironie ihres Lebens: Sie hatte sich immer davor gefürchtet, dass sie in Whispering Pines hängen bleiben würde, aber sie hatte sich nirgendwo anders wirklich wohl gefühlt, auch nicht in Kalifornien. Nicht einmal Archers wunderbare Gegenwart konnte dort ihr Heimweh völlig verschwinden lassen.
Der Mond stand tief am Himmel, zu drei Vierteln voll über den ungleichmäßigen Gebirgskämmen. Das dunkle Indigoblau der Nacht und die verstreuten Nadelstiche der Sterne waren wunderbar. Sie würde diese Welt vermissen. Es war schwer sich vorzustellen, dass eine bessere existierte, aber Archer hatte gesagt, dass er für sie einen Platz im Himmel hatte, der auf sie wartete. Im wirklichen Himmel, nicht in dieser lächerlichen Illusion, mit der die Christen hausieren gingen.
Harfen und weiße Gewänder. Was für ein
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