Guardian Angelinos (03) – Sekunden der Angst
half.
Sie wollte das eigentlich nicht tun. Aber es war der einzige Ausweg. Manchmal mussten die kleinen Leute leiden, damit die großen zum Zuge kamen.
Selbst für eine von den Großen fühlte sie sich sehr einsam.
Keine nervtötende Joellen, keine Stylistin, keine PR-Tante, Assistentin oder Double-Mitläuferin saß ihr im Nacken. Keine Presse. Kein Mann. Kein Agent, Manager, keine Stalker oder Gaffer. Dieser Herausforderung stellte sie sich ganz allein.
Gut getarnt für den großen Moment schwankte sie auf der Fähre auf und ab wie ein Gefangener auf dem Weg zum Galgen. Ihre Entscheidung stand fest. Es war wirklich der einzige Weg aus dieser schrecklichen Zwickmühle. Und wenn sie es richtig anpackte, würde der ganze Medienrummel um den Oscar-Mörder ein jähes Ende finden – und ebenso Roman Emmanuel. Auf dem Grund des Hafenbeckens von Nantucket.
Er würde der Oscar-Mörder sein, der versucht hatte, sie zu töten, und den sie bezwungen hatte. Klar, es würde Ermittlungen geben, doch die Behörden würden ihr glauben. Wer käme darauf, dass Cara Ferrari lügen könnte? Und sie würde alle Beweise haben, um die Wahrheit zu untermauern.
Sie würde den Oscar-Mörder selbst umbringen – und landesweit zu einer Legende werden. Wenn alles nach ihrem Plan verlief, spielte sie nächstes Jahr um diese Zeit in einem neuen Film mit und ihre sämtlichen Missetaten gehörten der Vergangenheit an.
Mit etwas Glück und Gerissenheit wären all ihre Missetaten vergeben, vergessen – oder tot.
Wieder musste sie würgen. Sie versuchte, den Leuchtturm als Fixpunkt zu benutzen, um der Übelkeit entgegenzuwirken, aber es klappte nicht so gut wie sonst. Um sich abzulenken, blickte sie sich auf der Fähre um, in die fast leeren Sitzreihen. Ihr Verstand raste, und nur flüchtig bemerkte sie einen Mann mit einer schwarzen Lederjacke, der den anderen Gang entlangschlenderte. Im Vorbeigehen gewahrte sie ihn kurz aus dem Augenwinkel, dann sahen sie beide weg.
Oh Gott. Seine Augen waren so blau. Nicht wie das schmutzige Blau des Wassers um sie herum, sondern eisblau wie die von … dem Mann am Strand.
Er verschwand im hinteren Teil, und Cara umklammerte die Armlehne, als die weiß glühende Hitze der Angst in ihren Körper kroch, sie zu vereinnahmen drohte.
War er ihr auf diese Fähre gefolgt?
Sie drehte sich verstohlen um, um einen Blick ins Heck zu werfen, doch die Trennwand, hinter der sich die Toiletten befanden, versperrte ihr die Sicht auf das hintere Deck. Es gab eine Treppe zum unteren Deck, und vielleicht war er hinuntergegangen.
War er derjenige, der in das Haus eingebrochen war und versucht hatte, sie mit einem Fön umzubringen? Um den Mord wie einen Unfall durch einen Stromstoß aussehen zu lassen? Der Mann mit den blauen Augen vom Strand? Er konnte alles ruinieren! Und was wollte er überhaupt hier? Sie an Deck locken und über Bord …
Wieder kam er den Gang entlang, schob an ihr vorbei, würdigte sie jedoch keines Blickes. Er roch nach Risiko und Gefahr, die Jacke teuer und leger, die Schulterpartie breit genug, um zu betonen, dass er gnadenlos stark war.
Er setzte sich ein paar Reihen vor Cara in den mittleren Abschnitt. Von ihrem Platz aus konnte sie sehen, wie seine rechte Hand auf der verwaschenen Jeans ruhte, eine kräftige Hand. Eine Hand, wie dafür geschaffen, sich um jemandes Kehle zu schließen und mit letaler Endgültigkeit zuzudrücken. Eine Hand, wie dafür geschaffen, in die Tasche jener Jacke zu greifen und eine Pistole zu ziehen.
Wenn sie sich nicht wegrührte, konnte er es unmöglich schaffen, sie hier auf ihrem Sitzplatz umzubringen, oder? Mindestens ein halbes Dutzend Leute waren an Deck.
Außerdem würde der echte Oscar-Mörder es wie einen Unfall aussehen lassen.
Unvermittelt blitzte das Bild vor ihrem geistigen Auge auf, wie ihr Körper in eine messerscharfe Schiffsschraube am Ende der Fähre stürzte. Um die Schreckensvision zu vertreiben, suchte sie nach dem kleinen Leuchtturm und versuchte einzuschätzen, wie lange es wohl noch dauern würde, bis sie Nantucket erreichten.
Dort wollte sie den Spuk ein für alle Mal beenden. Sie würde sich wie geplant mit Roman treffen. Sie würden zum Leuchtturm gehen, er würde mit ihr hinaus auf den Anleger laufen, und sie würde ihn töten.
Sie spielte die Szene im Kopf durch wie einen Film und weigerte sich, dabei an Blauauge zu denken.
Es musste der Mann vom Strand sein. Niemals würde sie diese hypnotisierenden, stechend blauen Augen
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