Guardian Angelinos (03) – Sekunden der Angst
nicht.
»Vivi«, krächzte er, und der Kloß in seinem Hals erstickte ihn förmlich.
Sie rang nach Atem, als sie die Speisekammer betrat. »Ich habe das Sicherheitsleck gefunden.«
Sie hatte nicht mit ihm gerechnet, und ganz bestimmt hatte sie nicht hiermit gerechnet. Schock, leichtes Entsetzen, Wut, klar. Aber als Lang Vivi an den Schultern packte und an seine Brust riss, raubte ihr das den letzten Rest Atem, den sie noch in den Lungen hatte.
»Himmel, Vivi, ich dachte, du wärst tot.« Er presste seinen Mund in ihr Haar und drückte sie noch fester.
»Das dachte ich auch«, räumte sie ein und löste sich so weit von ihm, dass sie sein Gesicht sehen konnte. Sie konnte es kaum erwarten, ihm von ihrer Entdeckung zu erzählen, doch er fasste mit festem Griff ihr Kinn.
»Tot«, wiederholte er mit Grabesstimme.
»Hey, vorsichtig, hab ein bisschen Vertrauen in …«
Ehe sie den Satz beenden konnte, senkte sich sein Mund auf ihren. Diesmal war es ein unsanfter Kuss, befeuert von einer Wut, die sie förmlich schmecken konnte. Das war keine Zuneigung, Wiedersehensfreude oder Erleichterung. Es war einfach nur … gierig und animalisch, ein Gefühl, als würde sie nachgerade wieder in die Tiefen des Tunnels fallen, durch den sie gerade gekrochen war.
Ihre Lippen brannten, ihr Herz galoppierte, und ihr ganzer Körper wollte mehr. Sie kämpfte dagegen an, legte ihm ihre Hände flach auf die Brust, um ihn wegzuschieben, und genoss das aufregende Gefühl, sein Herz in einem vollkommenen, wilden Gleichklang mit ihrem zu spüren.
»Du musst dir ansehen, was ich gefunden habe«, sagte sie atemlos.
»Was ist passiert? Wo warst du? Warum in aller Welt bist du einfach abgehauen?«, fragte er und umschloss ihr Gesicht mit seinen beiden Händen, seine Miene dabei so schmerzerfüllt, dass man unmöglich hätte sagen können, auf wen genau er eigentlich wütend war: auf sie oder auf sich selbst.
»Ich bin nicht abgehauen!« Sie schaffte es, sich ihm zu entwinden. »Ich war auf der Terrasse, als ich durch irgendeine geheime Öffnung in einen Schacht gefallen bin oder gestoßen wurde. Er war direkt unter deinen verdammten Füßen, Lang. Hast du mich denn nicht schreien gehört?«
Er schüttelte den Kopf. »Du glaubst, du bist gestoßen worden?«
Sie kramte in ihrer Erinnerung und versuchte, den Moment wieder einzufangen. »Es ging alles so schnell, ich weiß es wirklich nicht, und das bringt mich halb um den Verstand. Ich stand auf der Terrasse, das Brett unter mir wackelte, und dann, rumms, war ich unten. Dieser Tunnel ist bestimmt schallisoliert, denn sonst hättest du mich hören müssen. Aber was viel wichtiger ist, das Moorhaus und dieses hier sind miteinander verbunden. Du kannst von dort hierhergelangen, ohne auch nur einen Fuß ins Freie setzen zu müssen. Allerdings« – sie wischte sich Schmutz aus dem Gesicht, bemüht, die Erinnerung daran zu verdrängen, was auf ihrem Weg durch den Entwässerungsschacht so alles herumgekreucht und gefleucht war – »ist es nicht gerade ein Spaziergang durch den Park.«
»Nicht jetzt. Die ganze verdammte Truppe sucht nach dir. Nach Cara«, fügte er hinzu und zog sie von der Tür weg. »Ich muss alle informieren, dass du in Sicherheit bist.«
»Nein, warte. Wir sollten tunlichst vermeiden, dass irgendjemand von diesem Leck erfährt. Zumal wenn mich jemand gestoßen hat, denn das würde bedeuten, dass Pakpao nicht allein gearbeitet hat. Ein möglicher Komplize könnte jetzt immer noch auf dieser Insel sein.«
»Oder mit dem Boot entkommen sein. Wir haben das Quad in der Nähe eines Anlegers am westlichen Rand des Grundstücks am Wasser gefunden.«
»Dann stopp die Suche noch nicht. Wenn mich jemand gestoßen hat, könnte dieser Jemand sich noch in der Gegend aufhalten. Vielleicht gelingt es deinen Kollegen, ihn zu fassen.«
Er dachte darüber nach und nickte dann. »Zeig es mir schnell.«
»Komm mit.« Hinter der Tür befand sich ein schmaler Treppenabsatz, von dem Stufen hinunter in den Tunnel führten. »Der Akku von meinem Handy ist so gut wie leer. Hast du deins dabei?«
Er griff in seine Tasche und zog eine winzige Halogentaschenlampe hervor. »Ja, aber ich habe auch so was dabei.«
»Erinnere mich daran, dass ich mich nie wieder über ehemalige Pfadfinder lustig mache.« Sie führte ihn die Treppe hinunter. »Hier unten gibt es noch eine Tür – ich habe sie gesehen, aber nicht aufbekommen, deshalb bin ich erst mal weiter, bis ich die Küche fand.«
Er spähte in den
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