Guardian Angelinos (03) – Sekunden der Angst
erzählen? Wohl kaum die Wahrheit. Niemals. Niemand wusste davon, außer dem Arsch, der ihr das angetan hatte. Und der konnte sich wahrscheinlich nicht mal mehr an ihren Namen erinnern. »Ich glaube, es ist wirklich keine gute Idee, Sex mit einem Mandanten zu haben. Auch nicht mit einem, für den ich schwärme«, platzte sie heraus.
Er sackte sichtlich in sich zusammen. »Ist das alles?«
Nein, das war nicht alles. Aber es musste reichen, bis Vivi wieder – nein, Vivi würde so was nie wieder können. »Zumal das mit der Schwärmerei wohl nicht unbedingt auf Gegenseitigkeit beruht.«
»Ich wusste bloß nicht, wie du es nennst«, verteidigte er sich. »Ich dachte, wir sind Freunde, die … sich mögen.« Er lächelte und senkte den Blick auf ihren Körper, was sie innerlich erwärmte, obwohl sie sich mit einem Mal kalt wie ein Eisblock fühlte. »Sehr mögen.«
»Freunde plus X?«, fragte sie. »Ist es das, was dir vorschwebt, Lang?«
Er wich zurück. Natürlich. Denn genau das wollte sie doch, oder? Das war ihr Ziel: den Sex sabotieren und sich weiter in Sicherheit wiegen. Typisch Vivi Angelino.
»Plus X?«, wiederholte er, und es klang milde gereizt.
»Plus Sex«, erklärte sie.
»Schon klar. Ich dachte mehr an … Sex … ohne …« Er konnte es ihr einfach nicht sagen.
»Bindung«, bot sie an.
Er widersprach ihr nicht und lieferte ihr die perfekte Ausrede. »Ach ja, richtig, Lang«, versetzte sie mit schonungsloser Härte. »Du gehst ja nach L . A. Das heißt, wir können rammeln wie die Kaninchen, bis du verschwindest, von wegen Super-Beförderung und so.« Sie klang bitter, bemüht, nicht wie ein erbärmliches, verängstigtes Opfer rüberzukommen. »Schön.«
»Tut mir leid, Vivi. Du schienst mir nicht wie eine Frau, die … Papierkram braucht.«
Papierkram? Das wurde ja immer besser. Sie schaffte es, beleidigt auszusehen, obwohl sie einfach nur erleichtert war. Er bot ihr den perfekten Ausweg aus ihrem Dilemma. »Nein, ich hab’s nicht so mit Sex und hopp. Aber danke fürs Angebot.«
Ihr Sarkasmus schmerzte ihn sichtlich. Und beschämte ihn, weil er in dieses Badezimmer gekommen war und sich wie ein ganz normaler Mann verhalten hatte, und wenn Vivi eine ganz normale Frau wäre, wäre sie darauf eingegangen. Denn Lang war ihre heimliche Fantasie, wenn die Hormone mit ihr durchgingen, und sie wollte ihn. Unbedingt.
Aber ein gewisses Arschloch hatte ihr den Spaß dauerhaft verdorben.
Und Colton Lang musste jetzt dafür büßen. »Hey, hör zu.« Sie rutschte vom Waschtisch herunter und rechnete es ihm hoch an, dass er nichts dagegen unternahm. »Alles in Ordnung.«
Er schluckte schwer und trat ein paar Schritte zurück. »Ich wollte dich nicht verletzen, Vivi. Ich habe dein Verhalten fehlgedeutet.«
»Du hast mein Verhalten nicht fehlgedeutet, Lang. Ich bin ziemlich heiß auf dich, und das ist schwer zu verbergen. Mir ist bloß … klar geworden … dass …«
ich seelisch noch mehr im Arsch bin als die arme alte Schachtel, die Angst hat, das Haus zu verlassen.
»Du mir mehr bedeutest, als mir lieb ist, und wenn du demnächst nach Los Angeles gehst, würde ich mir bloß die Augen aus dem Kopf heulen.«
Er blickte sie scharf an. »Warum lügst du?«
Verdammt. »Na gut, ich habe übertrieben. Ich würde nicht heulen, ich hab noch nie geweint.«
»Nie? Kein einziges Mal?«
»Einmal, als meine Mutter gestorben ist«, sagte sie schnell. »Und einmal, als mir ein paar Wochen später mein Hund weggenommen wurde.« Und dann an jenem Tag, an dem sie in irgendeiner sterilen Klinik in Medford gelegen hatte, ganz allein und völlig verängstigt. An jenem Tag hatte sie ziemlich heftig geweint. Bis sie keine Tränen mehr hatte. »Und in der Woche, als ich mit dem Tanzen aufgehört habe«, sagte sie leise. »Ich glaube, da habe ich geweint.«
Bevor er sie aufhalten konnte, war sie an der Tür und drehte den Knauf. Sie musste hier raus. »Dieser Hund hält ja wirklich Ruhe, wenn du es ihm sagst. Hey, Stella«, rief sie und riss die Tür auf. »Er gehört ganz di…«
»Was ist?« Lang war augenblicklich neben ihr und spähte in den leeren Raum. Die Tür zum Flur war geschlossen, aber Stella war weg.
»Sie hat sich den Hund genommen«, sagte er und marschierte bereits auf die Tür zu.
Vivi zwängte ihre Füße in Flip-Flops und joggte hinter ihm her. »Wo willst du denn hin?«
»Den Hund zurückholen. Ich traue dieser Schlange mit ihren Beruhigungsmitteln nicht.« An der Tür zu seinem Zimmer blieb er
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