Guardian Angelinos (03) – Sekunden der Angst
Kiefernnadeln, und ein Schreckensschrei blieb ihr im Hals stecken. Ihre Hände berührten etwas Weiches, gerade, als die nächste Kugel von einem Baumstamm abprallte. Dieses Mal schrie sie wirklich leise auf, und der Hund, auf dem sie gelandet war, jaulte zum Steinerweichen.
Vivi schnappte sich Stella und rappelte sich auf. Sie wollte losrennen und erstarrte, als sie Schritte hörte, schwer und schnell, und sie kamen auf sie zu. Sie kauerte sich zusammen, um ein möglichst kleines Ziel abzugeben, robbte noch weiter unter die Kiefern, fühlte Zweige und Erdreich, die ihr Gesicht streiften und in ihren Mund gerieten, während sie den winzigen Hund mit ihrem Körper schützte.
Da kommt er,
dachte sie.
Der nächste Schuss.
Ich werde sterben. Hier draußen, im Moor von Nantucket, mit einem Hund im Arm, mit einer fremden Identität.
Sie würde sterben.
Verdammt. Sie hätte niemals Nein zu Lang sagen sollen. Jetzt würde sie …
Die Kugel schlug in den weichen Torf, so dicht neben ihr am Boden, dass sie den Aufschlag hörte. Nur Zentimeter von ihr entfernt.
Sie hielt den Hund in beiden Armen, stolperte vorwärts und verlor einen Flip-Flop, als sie wie ein Soldat im Manöver unter den niedrigsten Kiefernästen hindurchkroch, ohne zu wissen, wohin, nur weg von dem Arschloch mit der Knarre.
Sie verharrte für die Dauer eines Herzschlags, lauschte auf knackende Äste und Schritte in dem weichen Torfboden. Von ihr weg oder auf sie zu? Sie hatte keine Ahnung. Sie wollte abermals nach Lang rufen, doch damit hätte sie verraten, wo sie sich befand.
Stattdessen packte sie den Hund, grub Ellenbogen und Knie in den Boden und kroch so schnell sie konnte weiter, ohne Stella zu zerquetschen, die entweder zu schlau oder zu verängstigt war, um zu bellen.
Verdammt. Sie wollte nicht sterben. Sie wollte leben. Und dieser dämliche Hund ebenfalls.
Und wenn dieser Mann ihr das nächste Mal seinen Körper anbot, würde sie zugreifen, anstatt sich wieder von irgendwelchen Erinnerungen alles verderben zu lassen. Dieser Schwur trieb sie voran, als eine weitere Kugel dicht über ihrem Kopf durch das Geäst pfiff.
Jemand rannte, ließ Äste zurückschnellen und atmete schwer. Lang? Oder der Schütze?
Sie hob vorsichtig den Kopf, um sich Gewissheit zu verschaffen. Die Kiefern blockten auch das letzte bisschen Mondlicht ab, also hätte sie ebenso gut blind sein können.
Sie schaffte es, anderthalb Meter weiterzukommen, dann drei, umrundete noch einen Baum, und plötzlich gab die Erde seitlich nach, eine unerwartete Böschung, die sie ins Rutschen brachte, sodass sie wie ein gefällter Stamm den Abhang hinunterrollte.
Sie ließ den Hund los und unterdrückte ein Kreischen, bis sie gegen einen weiteren Baum prallte.
»Vivi!« In der nächsten Sekunde war Lang auf ihr, in Ganzkörperdeckung, dann drehte er sich flink auf den Rücken, die Waffe in die Nacht gerichtet.
»Jemand hat auf mich geschossen«, sagte sie mit leise gepresster Stimme.
»Bist du okay?«
»Ja, aber irgendjemand ist hier draußen.«
Stella sprang sie beide an, und Vivi griff nach ihr, duckte sich dann wieder zu Boden, und ihre Hände suchten Stella automatisch nach einer Wunde ab.
»Hör mal genau hin!«, forderte Lang sie auf, seine Stimme ein scharfes Flüstern.
Sie rührten sich beide nicht, gaben keinen Mucks von sich, atmeten nicht mal, was nicht leicht war, wenn man bedachte, dass sie beide außer Puste waren.
»Er ist weg«, flüsterte sie. »Ich schwöre, ich habe ihn wegrennen hören.« Oder sie wegrennen hören. War Mercedes zu so einer Attacke fähig?
Weitere Schritte und Stimmen durchdrangen die Nacht. Innerhalb von Sekunden waren die anderen FBI-Agenten da, nahmen Befehle von Lang entgegen, schwärmten aus und beschützten sie.
»Bringen Sie sie ins Haus«, wies Lang einen von ihnen an, die Hände auf Vivis Schultern, als er sie an Agent Iverson übergab. »Und lassen Sie sie keine Sekunde aus den Augen. Wir finden dieses Arschloch.«
»Verdammt noch mal, Jo.« Cara stand über ihre Schwester gebeugt und widerstand dem Drang, den letzten Rest ihres Lemon Drop Martinis zu nehmen und ihn ihrer Schwester ins Gesicht zu schütten. Aber selbst das würde sie nicht aufwecken. »Ich will heute Abend nicht allein sein!«
Joellen rührte sich nicht. Sie lag mit dem Gesicht nach unten auf dem Sofa, den Mund so weit geöffnet, dass jeden Moment der Speichel rauslaufen konnte.
Scheiße. Cara hatte Marissa freigegeben, um die Nacht bei Bridget zu verbringen,
Weitere Kostenlose Bücher