Guardian Angelinos (03) – Sekunden der Angst
Wenn es Caras Telefon ist, habt ihr sie.«
»Will ich überhaupt wissen, wie ihr das macht?«, fragte Lang definitiv rhetorisch.
»Das wage ich zu bezweifeln«, sagte Gabe mit einem Lachen.
Nino belud Teller mit Eiern, Zwiebeln und Paprika, und der köstliche Duft erfüllte die Luft. »Tragt die Schlacht über Gut oder Böse nicht auf leeren Magen aus«, grinste Nino und stellte jedem einen Teller hin. »Mangia.«
Gabe hatte seine Gabel im Essen, bevor der Teller überhaupt den Granit berührte. »Das schmeckt tierisch gut, Nino. Und, zum Teufel, nichts macht mir mehr Appetit, als das FBI mit unseren abseitigen Methoden an die Wand zu spielen.«
Vivi legte Gabe liebevoll einen Arm auf die Schulter. »Du wirst ein fabelhafter Guardian Angelino, weißt du das? Wann kannst du anfangen?«
»Führe mich nicht in Versuchung, V.«
»Wie nah kommen Sie an den exakten Standort dieses Telefons heran?«, fragte Lang.
»Wie nah wollen Sie denn ran?«, entgegnete Gabe. »Ein kleines Licht ohne die entsprechenden Beziehungen kriegt vielleicht gerade noch den Landkreis raus.« Er nahm einen Bissen Eier und kaute genießerisch grinsend. »Und ich? Ich kann Ihnen den Block, die Hausnummer und wahrscheinlich noch die Farbe ihrer Unterwäsche besorgen.«
Lang musterte ihn nachdenklich, dann nickte er.
Aus irgendeinem Grund faltete sich bei dieser kleinen Regelverletzung Vivis Herz zusammen. Sie betrachtete Lang von der Seite, während er aß, und verspürte einen vertrauten Schmerz in ihrer Brust. Genauer gesagt, überall.
Sie wollte ihn so sehr. Und hätte sie letzte Nacht nur etwas gesagt, hätte sie ihn haben können. Aber sie hatte schweigend dagelegen, kalt und unzugänglich, ein Opfer ihrer alten Dämonen, und zutiefst einsam. Wie lange wollte sie Kenny Taylor diesen Krieg noch gewinnen lassen?
Sie schob ihren Teller weg und warf Nino einen entschuldigenden Blick zu. »Es war einfach eine verrückte Woche, ich bin nicht hungrig.« Sie musste sich diesen Dämonen jetzt endlich stellen. »Ich werde mal ein bisschen frische Luft schnappen gehen.«
»Ich würde ja mitkommen, aber ich bin gerade damit beschäftigt, das Gesetz zu brechen«, rief Chessie, während sie auf der Tastatur herumtippte.
»Ist schon okay«, antwortete Vivi. »Ich will bloß sehen, ob … sich da draußen irgendwas verändert hat.«
»Doc Taylor ist ausgezogen«, rief Gabe, als wollte er sie damit aufziehen.
Verflucht sollte er sein. Aber er konnte es ja nicht wissen. Sie war natürlich selbst schuld, weil sie es niemandem erzählt hatte. Hätte sie es jedoch getan, wäre Ken Taylor ein toter Mann. Das hätte sie zwar nicht sonderlich gekümmert, aber sie hätte ihren Bruder ungern im Gefängnis besucht.
»Sehr witzig«, sagte sie, ohne seinen Köder zu schlucken.
»Tu nicht so, als würdest du dich nicht an unseren Nachbarn, den Weiberhelden erinnern, Viv«, fügte Chessie hinzu.
Keiner von ihnen wusste es. Sie konnte sie schließlich nicht dafür verurteilen, dass sie es ihnen nie gesagt hatte.
»Wer ist denn der Weiberheld?«, fragte Lang.
Sie riss die Tür auf und knallte sie hinter sich zu, ehe sie sich den Rest anhören musste. Sie überquerte rasch die Terrasse, sprang die Stufen zum Rasen hinunter und ging schnurstracks zum Wasser. Das winterlich fahlbraune Gras war verharscht und knirschte unter ihren Schritten, als sie über den Hügel zu dem kleinen See lief. Diese Wiese war Schauplatz zahlloser Schneeballschlachten, Schlittenmarathons, Fußballspiele und Geburtstagspartys gewesen – ein breites Rasenstück, das zwischen ihrem und dem Nachbarhaus verlief.
Sie wurde langsamer, als sie das Ufer erreichte, umrundete die Kajaks und das Kanu, die dort vertäut lagen und nur noch selten benutzt wurden.
Sie inhalierte die milde, frühlingshafte Luft und ließ ihren Blick zum alten Haus der Taylors nebenan wandern. Zwischen den kahlen Bäumen hindurch konnte sie bis zu deren Kellertür blicken. Den säuerlichen Geruch nach Bier und Schweiß wahrnehmen. Hootie & the Blowfish auf der Stereoanlage hören. Mental die abgenutzte blaue Samtcouch spüren, auf der sie immer rumgemacht hatten. Vivi und Kenny, das beliebte Girl und die coole Sportskanone.
Nur dass er nicht cool war. Sondern eiskalt. Brutal. Hart. Böse.
Du legst es doch darauf an, V. Du hast dich doch so angezogen, dass man schnell drankommt, nicht wahr, Süße?
Sie schloss die Augen gegen das Brennen, ihren Widerspruch, das Reißen und Zerren, den schwarzen Schmerz zwischen
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