Guardian Angelinos: Die zweite Chance (German Edition)

dich besser aus dem Staub.«
    »Das werde ich auch, sobald die ganze Sache hier vorbei ist.«
    Ihr Lächeln erlosch, sie hob leise die Schuhe auf und lief auf Zehenspitzen die Treppe hinauf. Nicht nötig, irgendwas infrage zu stellen – jetzt wusste sie ganz genau, woran sie war.
    Mal wieder.

17
    »Ich hasse dich, ich hasse dich mit der Kraft von tausend Sonnen«, fauchte Vivi ins Telefon, froh, dass ihr Chef schon aufgelegt hatte und ihren Ausbruch der Empörung nicht hören konnte. Das Letzte, was sie tun wollte, war, auf dem Emerson-Campus einer Story über einen Überfall nachzujagen. Im Ernst: war das etwa Aufdeckungsjournalismus?
    »Ich habe in einem Mordfall zu ermitteln, Kumpel«, sagte sie zum Telefon, während sie das Gerät auf den Couchtisch in ihrem Wohnzimmer warf. »Ich hasse dich, Tom Swift.«
    Na ja, eigentlich Swyff, aber die Tatsache, dass ihr Redakteur beim Bullet eben nicht immer der Schnellste war, hatte ihm diesen Spitznamen eingehandelt. Wieder gab das Telefon ein Klingeln von sich, diesmal war es eine SMS .
    Geh zu dem Interview, Vivi. Du hast seit Tagen keine Story mehr abgeliefert.
    Gott, er war unerbittlich. Sie tippte leck mich … und löschte es dann wieder. Vielleicht kein günstiger Zeitpunkt, um gefeuert zu werden. Sie brauchte trotz allem ein Einkommen, außerdem würden die Boston-Bullet -Kontakte den Guardian Angelinos vielleicht einen beständigen Strom potenzieller Klienten bescheren.
    Ich fahre nach Emerson und mache das Opfer ausfindig.
    Sie hämmerte auf die Senden-Taste und fluchte leise. Manche Menschen waren einfach nicht dafür gemacht, einen Chef zu haben, dachte sie, während sie sich einen leichten Kapuzenpulli schnappte. Es war nicht kalt, aber der Himmel sah bedrohlich aus, was bedeutete, dass sie die U-Bahn nehmen und das Skateboard tragen würde.
    Wo hatte sie bloß ihre Monatskarte hingelegt? Sie sah an allen üblichen Stellen nach, fand sie nicht, und ihr Frust wuchs. Sie steckte die Hände in die Jackentasche.
    Statt einer Monatskarte zog sie einen kleinen USB -Stick heraus. War das ihrer? Sie drehte ihn um, überzeugt, dass sie ihn noch nie gesehen hatte.
    Die Neugierde siegte über die Lust, nach Emerson zu fahren. Stattdessen bootete sie ihren Laptop, steckte den Stick in den USB -Eingang und versuchte sich zu erinnern, ob sie das Ding je zuvor gesehen hatte. Vielleicht hatte sie ihn im Bullet- Büro mitgenommen, als sie das letzte Mal dort gewesen war?
    In einem Ordner mit dem Namen FM befanden sich drei Dateien. Eine davon war ein JPEG , die anderen beiden Word-Dokumente. Als Erstes probierte sie es mit dem Bild, das sich öffnete und einen eingescannten Zeitungsartikel zeigte. Aus dem Boston Globe , dachte sie, aber alt. Sehr alt. In einer Schriftart, die sie bisher nur auf Mikrofilm gesehen hatte, wahrscheinlich aus den späten 1970ern.
    Die Überschrift war abgeschnitten worden, aber sobald sie zu lesen begann, wusste sie, wofür FM stand.
    Irischer Mafiaboss Finley MacCauley wieder mal der Verhaftung entgangen …
    Ein leichter Schauer ließ die Haare an ihrem Hinterkopf ein kleines Tänzchen veranstalten, wie immer, wenn sie eine Spur verfolgte. Sie verkleinerte das Bild und klickte auf das erste unbenannte Dokument. Quer über dem Text standen in riesigen, überdimensionierten Großbuchstaben die Worte VERTRAULICH / ENTWURF . Ihr Blick fiel auf den einleitenden Absatz.
    In der Aristokratie der Ostküste wird demnächst eine Bombe hochgehen … wenn bekannt wird, dass das Mitglied der Bostoner Gesellschaft, die Frau des Kolumnisten Joshua Sterling, Devyn Hewitt Sterling, in Wirklichkeit die uneheliche Tochter des sich notorisch auf der Flucht befindlichen Finley MacCauley ist, der seit Langem vermisst wird und den viele für tot halten. Heimlich auf legalem Weg adoptiert, wobei der Name ihrer leiblichen Mutter nicht vermerkt wurde …
    Joshuas Ehefrau war die Tochter von Finn MacCauley? Dessen Namen Taylor Sly ihr gestern Nachmittag noch zugeflüstert hatte?
    Da hatte sie den Stick her! Als Taylor sie umarmt hatte, hatte sie ihn in ihre Tasche fallen lassen … und so dafür gesorgt, dass er bei der polizeilichen Durchsuchung nicht gefunden wurde. Aber warum wollte sie nicht, dass ihn die Polizei in die Finger bekam? Hatte Joshua ihn Taylor gegeben? Und wenn ja, warum? Weil seine Frau Verbindungen zu Finn hatte?
    Hatte Devyn Sterling ihn töten lassen, bevor er das an die Öffentlichkeit brachte? Warum sollte er ihr das antun? Aus demselben Grund,