Guardian Angelinos: Die zweite Chance (German Edition)
Erinnerung durchzuckte sie wie ein Blitz. Gott, sie hatten eine Menge von den Dingern verbraucht in jenen drei Wochen.
Sie schloss die Augen, drehte das kalte Wasser auf und beugte sich über das Waschbecken. An dem Abend, als sie sich begegnet waren, auf einer Party hier in Vivis Wohnung, war er ihr ins Bad gefolgt, als sie sich den Lippenstift nachziehen wollte. Sie brauchte gar keinen neuen Lippenstift, erinnerte sie sich lebhaft. Aber sie hatte einfach gewusst, dass er ihr folgen würde. Sie hatten geflirtet, gelacht, sich gegenseitig berührt und aneinander geschmiegt, in einer Art Liebestango, der schließlich zu einem Kuss geführt hatte.
Sie warf einen Blick auf die Wand neben der Dusche. Genau da hatte der Kuss stattgefunden, und der ganze frisch aufgetragene Lippenstift war dahin gewesen. Zach war sofort mit seiner Zunge eingedrungen und hatte von ihrem Mund Besitz ergriffen. Seine Hände waren über ihren Körper gewandert, seine Zunge hatte mit ihrer gespielt.
Dieser Kuss. Dieser erste endlose, schwindelerregende, warme, nasse Kuss, der so lang dauerte, dass Vivi an die Tür klopfte und schrie »geht in ein Zimmer.« Und das hatten sie dann auch getan. Sie waren in jenes Gästezimmer ganz am Ende des Flurs gegangen und hatten gelacht und geredet und sich berührt und …
Sie drehte sich wieder zum Waschbecken, planschte noch ein bisschen und verfluchte ihre weichen Knie.
Ja, es war der beste Sex gewesen, den sie je gehabt hatte, und wahrscheinlich je haben würde. Allein schon bei der Erinnerung daran reagierte ihr Körper. Aber der Schmerz, als sie nie wieder etwas von ihm gehört hatte … nein danke. Der Preis war viel, viel zu hoch gewesen.
Wasser lief ihr den Hals hinunter, unter ihr T-Shirt und jagte ihr einen Kälteschauer über die Haut. Sie fuhr hoch und schnappte laut nach Luft, als sie Zach im Spiegel hinter sich erblickte. Mit nackter Brust und finsterem Gesicht, sein Haar ein wirres, schwarzes Durcheinander, das sich bis auf seine Schultern ringelte, die schwarze Augenklappe aus Leder wie ein Schutzschild, das von der Augenbraue bis zum Wangenknochen reichte.
»Mann. Schon mal was von Anklopfen gehört?«
Er riss ein Handtuch von einem Ständer und hielt es ihr hin. »Du hast die Tür offen gelassen.«
»Hab ich nicht.« Sie vergrub ihr Gesicht im Frotteestoff und der Duft seiner Seife im Handtuch überflutete ihre Sinne.
»Entschuldige, aber das hast du.«
Sie gab ihm das Handtuch zurück. In diesem kleinen Raum und in seiner Nähe bekam sie zu wenig Luft. »Trotzdem hättest du anklopfen können.«
»Ich wollte die Kulturbeutel-Inspektion nicht stören.«
Verdammt. Sie bedeutete ihm, Platz zu machen, damit sie rauskonnte. »Ich wollte mir nur deine Zahncreme ausleihen.«
Sam setzte ein falsches, flüchtiges Lächeln auf und versuchte sich dann an ihm vorbeizudrücken, doch er erwischte sie am Ärmel ihres T-Shirts.
»Na na, wo willst du denn hin?«
So weit wie möglich weg von dem wirbelnden Tattoo über seinem Herzen. Auch das war neu. »In die Küche.«
»Aber nirgendwo anders hin.«
Sie stutzte. »Wie bitte?«
»Ich mein’s ernst, Sam. Du verlässt diese Wohnung nicht allein.«
»Ich bin doch nicht blöd, Zach.« Sie entriss ihm den Ärmel.
»Ich bring dich nach Hause oder zur Arbeit, wo immer du hinwillst.«
Er und seine Tasche voller Kondome. »Nein, danke.«
»Ich bin nicht auf Dank aus. Ich bitte dich noch nicht mal um Erlaubnis. Aber du darfst nicht alleine in Boston rumlaufen.«
Sie schloss die Augen, und die Realität des Ganzen traf sie mit voller Wucht. Sie hatte nicht vor, in Boston herumzulaufen, aber Tatsache war, dass sie Schutz brauchte oder ein wirklich gutes Versteck. Oder beides. »Ich rede mit Vivi darüber. Uns wird schon was einfallen. Du brauchst dich nicht damit zu befassen.«
»Ich bin aber schon damit befasst.« Sein Gesichtsausdruck war düster und ernst, so ganz anders als der Mann, an den sie sich gerade erinnert hatte. Der Mann, mit dem sie vor drei Jahren herumgeknutscht hatte wie ein liebeskranker Teenager, hatte so viel Feuer und Leben in sich gehabt, er war tiefgründig und scharfsinnig und starrköpfig und brillant gewesen. Hatte seine Verletzung ihn so sehr verändert? War er auch innerlich jetzt kalt und ernst?
»Du starrst mich an«, sagte er.
»Ich frage mich … «
Er schüttelte den Kopf. »Spar dir die Mühe. Es ist geheim, und selbst wenn es nicht so wäre, würde ich nicht darüber sprechen.«
»Das habe ich nicht
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