Guardian Angelinos: Die zweite Chance (German Edition)
summen.
»Erinnerst du dich zufälligerweise, dass ich dir erzählt habe, wie ich mal einen Mann ins Gefängnis gebracht habe?«
Das fragte sie noch? Natürlich erinnerte er sich. »Ich weiß noch, was dir als Teenager passiert ist. Du hast eine Schießerei in einem Lebensmittelgeschäft um die Ecke mitangesehen.«
»Genau. Als ich sechzehn war, fast siebzehn, wurde ich Zeugin, wie ein Typ einen Angestellten umgebracht hat. Ich habe das Ganze aus dem hinteren Teil des Ladens beobachtet und konnte den Mörder gut erkennen.« Sie schüttelte den Kopf. »Das dachte ich zumindest. Aufgrund meiner Augenzeugenaussage wurde er verurteilt.«
»Kaum zu glauben, dass einem so was zweimal im Leben passiert«, sagte er.
»Vor allem, weil ich beim ersten Mal falschlag.«
»Was?«
»Der wahre Mörder kam ein paar Monate, nachdem du weg warst, aus der Versenkung. Er hatte eine Art religiöse Erleuchtung gehabt, die ihn total umkrempelte, und gestand das Verbrechen. DNA -Tests bewiesen, dass er die Wahrheit sagte, und Billy Shawkins, der Mann, den ich hinter Gitter gebracht hatte, erwies sich als unschuldig. Er war nur … « Sie setzte ein ironisches Lächeln hinzu. »… zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. Und die Cops hatten ihn außerdem wegen ein paar kleinerer Verbrechen in der Gegend auf dem Kieker gehabt. Sie wollten ihn verurteilen, und meine Zeugenaussage hat den Sack zugemacht.«
»Ist er jetzt wieder draußen?«
»Ja, ist er. Aber als ich es erfahren habe, war ich einfach nur … « Sie schüttelte den Kopf. »Es war schrecklich zu wissen, dass ich einen unschuldigen Mann ins Gefängnis gebracht habe. Es hat mich bis ins Mark erschüttert. Alles, was ich über mich selbst dachte, dass ich immer richtiglag. Jetzt bin ich nicht mal sicher, ob ich auch nur annähernd richtigliege.«
Dann hätte sich ihre Persönlichkeit ziemlich verändert. Als sie sich kennengelernt hatten, war sie so selbstsicher gewesen, dass es schon an Großspurigkeit grenzte. Ganz anders als das Mädchen, das jetzt vor ihm stand. »Und, was hast du gemacht? Ihm irgendwie geholfen?«
»Darauf kannst du Gift nehmen. Ich habe rausgefunden, dass es eine Organisation gibt, die nichts anderes tut, als Menschen wie Billy zu helfen, die Innocence Mission. Ich habe für sie gearbeitet, und … « Sie stieß einen Seufzer aus. »Ich habe mein Leben quasi komplett umgekrempelt, meinen Job bei der Werbeagentur gekündigt und meine ganze Zeit damit verbracht, diesem brillanten ehrenamtlichen Anwalt zu helfen, damit Billy Shawkins freigesprochen wird. Und das wurde er.« Sie lächelte, doch ihre Augen wirkten traurig. »Billy ist heute ein freier Mann.«
Er musterte sie und überdachte ihre Geschichte. »Nur weil du einen Fehler gemacht hast, heißt das noch lange nicht, dass die Polizei dich nicht schützen sollte, wenn du dummerweise noch einmal beobachtest, wie jemand umgebracht wird.« Sollte war genau das richtige Wort, wenn man es mit den ›Gesetzeshütern‹ zu tun hatte.
»Leider habe ich während der Arbeit für Billys Freispruch beim Boston Police Department in ein Wespennest gestochen. Es gab eine Untersuchung, und zwei Cops haben ihre Dienstmarke verloren, wegen der Art, wie sie Beweise handhabten, insbesondere meine Aussagen und Identifizierung des Verdächtigen. Es hatte Auswirkungen im ganzen Department. Ich bin keine besonders gern gesehene Bürgerin beim Boston PD .«
Jetzt ergab alles einen Sinn. Von seinen Cousins – der eine ein Cop, der andere ein Ex- FBI -Agent – wusste er, dass sie genauso eingeschworen waren wie die Männer in seiner Kolonne.
»Also hast du deinen Job in der Werbung für diese ganze Shawkins-Sache hingeworfen und arbeitest jetzt als Kellnerin?«
Sie sah ihn durch zusammengekniffene Augen an. »›Diese ganze Shawkins-Sache‹ war in den letzten paar Jahren mein gesamter Lebensinhalt.« Lag da ein anklagender Ton in ihrer Stimme? Was war ihre unterschwellige Botschaft? Wenn es dich kümmern würde, wüsstest du das. Er kraulte bloß die Katze und nickte ihr flüchtig zu.
»Jedenfalls bin ich nicht in die Werbung zurückgekehrt, und im Moment arbeite ich als Kellnerin, weil ich im September mit dem Jurastudium anfange«, sagte sie leise.
»Jurastudium?« Darüber konnte er keine Gleichgültigkeit vortäuschen.
»Das hat Vivi dir wohl nie erzählt.«
Er hatte sich wohl eher geweigert, zu fragen. »Und ich dachte, nicht mal höhere Gewalt würde dich von der Karriereleiter runterkriegen.«
»Doch,
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