Guardians of Eternity 10 - Gefaehrtin der Ewigkeit
wandte sich der Kamera zu, die in einer Ecke der Zelle versteckt war, und winkte mit den Armen. »Haaaalllloooo! Kann mich jemand hören?«, schrie sie, da sie wusste, dass der Vampir, der die Kameras überwachte, beim Klang ihrer schrillen Stimme zusammenzucken würde. Ein übermenschliches Gehör war manchmal ein echtes Ärgernis. »Was ist mit euch Freaks los? Ich bin hergekommen, um euch zu helfen!« Sie trat näher an die Kamera heran und hob die Stimme noch einmal um eine schmerzhafte Oktave. »Ich habe alles aufs Spiel gesetzt, um euch vor Gaius zu warnen. Und was kriege ich dafür? Eine Belohnung? Ein Dankeschön? Verdammt, nein! Ich werde in einen Käfig gesperrt wie eine Ratte. Ihr undankbaren Scheißkerle!«
Eine Sekunde später hörte sie, wie eine weit entfernte Tür sich öffnete und schloss, und dann das leise Geräusch von sich nähernden Schritten. Instinktiv wandte sie sich den Gitterstäben ihrer Zelle zu und weigerte sich, dem Drang, in die hinterste Ecke zurückzuweichen, nachzugeben, als eine kalte, scharfkantige Macht den Raum erfüllte.
Vampire blühten auf, wenn sie bei anderen Angst spürten. Sie diente den Blutsaugern als Aphrodisiakum. Und Sally hatte nicht vor, ihnen diese Genugtuung zu erweisen.
Dieser tapfere Gedanke war ihr kaum durch den Kopf gegangen, als er beim Anblick des Mannes auch schon wieder ins Leere stürzte.
Und obwohl dieser Kerl ein gefürchteter Blutsauger war, war er gleichzeitig ein Mann. Einer in Großbuchstaben.
Er trug Jeans, eine Lederjacke über seinem T-Shirt und Mokassinstiefel, die ihm bis zu den Knien reichten, und besaß den harten, schlanken Körper eines Raubtieres. Seine Haut war gebräunt, und sein dunkles Haar streifte seine breiten Schultern. Sein Gesicht war schmal, und er verfügte über die hohen Wangenknochen der amerikanischen Ureinwohner sowie eine stolze Nase. Seine Stirn war breit und seine Lippen waren sinnlich geschwungen.
Aber es waren seine Augen, die Sally das Atmen vergessen ließen.
Sie waren einfach – unglaublich.
Im Licht der Deckenbeleuchtung glitzerten sie silbern, aber sie waren so hell, dass sie fast weiß wirkten. Diese unerhörte Helligkeit wurde von dem sie umgebenden Rand aus reinem Schwarz noch hervorgehoben.
Sally erzitterte und hatte das Gefühl, der Mann könne durch jede Schutzschicht hindurchsehen, die sie um ihr verletzliches Herz gelegt hatte.
Der Fremde blieb vor den Gitterstäben ihrer Zelle stehen, verschränkte die Arme vor der Brust und betrachtete sie mit einem spöttischen Lächeln. »Habt Ihr diese Sprache von Eurer Mutter gelernt?«
Der verächtliche Unterton in seiner Stimme vernichtete wirksam Sallys unwillkommene Faszination. Dieser Idiot. Woher nahm er das Recht, sie anzusehen, als sei sie irgendetwas, das er von der Sohle seines Mokassins abgekratzt hatte?
»Meine Mutter war zu beschäftigt mit dem Versuch, mich umzubringen, um mir irgendetwas beizubringen, abgesehen davon, wie man wegläuft. Und zwar sehr, sehr schnell«, spottete sie ihrerseits, während sie auf die Gitterstäbe zuging und sie mit den Händen umfasste. Als ob ihre Knie nicht zitterten und ihr Herz nicht heftig gegen ihre Rippen schlüge. »Und, ach ja, absolut niemandem zu trauen. Ich war nur dumm genug, das zu vergessen.«
Die unglaublichen Augen weiteten sich, als sei es ihr wirklich gelungen, ihn zu überraschen.
»Eure Mutter versuchte Euch zu töten?«
Sally zuckte die Achseln. So war es in ihrer Familie eben. Was sollte sie tun?
»Warum bin ich unter Drogen gesetzt und in den Kerker geworfen worden?«, wollte sie wissen. »Ich bin in gutem Glauben hergekommen.«
»Was das angeht, haben wir nur Euer Wort.« Der Mann stemmte die Hände in die Hüften. Seine Jacke rutschte zur Seite und ließ den Dolch erkennen, der an seinem Gürtel befestigt war, sowie die Schusswaffe, die in einem Halfter an seiner Seite steckte.
Heilige Scheiße. Dieser Kerl verfügte über so viel Feuerkraft, dass er damit einen tollwütigen Troll hätte erlegen können. Sally wusste nicht, ob sie geschmeichelt oder entsetzt sein sollte. Schließlich war sie nur wütend.
»Und dem Wort einer Hexe kann man nicht trauen?«, fuhr sie ihn an.
»Ihr habt zugegeben, den Fürsten der Finsternis angebetet zu haben«, erwiderte er, ohne sich zu entschuldigen. »Das fördert kaum das Vertrauen in Euren moralischen Kompass.«
»Meinen moralischen Kompass? Soll das ein Witz sein?« Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Ihr seid doch ein
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