Guardians of Eternity 10 - Gefaehrtin der Ewigkeit
als notwendiges Werkzeug zum Erreichen ihrer Ziele zu betrachten.
Nicht wahr?
Nefri weigerte sich zuzugeben, dass ihr die Aufgabe, ihre Verbindung zu dem lästigen Mann zu kappen, schwieriger erschien, als es eigentlich der Fall hätte sein sollen, und wandte sich dem Gargylen neben ihr zu. »Levet, könntet Ihr Wache halten?«, fragte sie. »Womöglich ist dies eine Falle.«
»Oui.« Levet studierte die umstehenden Bäume, bevor er einen Blick zurück auf das Schulgebäude warf. »Ich begebe mich auf das Dach. Von dort aus habe ich den besten Blick.«
»Nehmt Kontakt zu mir auf, falls sich irgendetwas nähert.«
»Oui.«
Davon überzeugt, dass es nichts gab, was sich an dem Gargylen vorbeischleichen konnte, überquerte Nefri den Schulhof, um die Treppe zu erklimmen und das Gebäude zu betreten.
In dem kleinen Foyer blieb sie stehen. Vor ihr führte eine Treppe zu den oberen Stockwerken hinauf. Ihre Stufen waren in der Mitte von Tausenden kleiner Füße abgetreten worden, die sie im Lauf der Jahre erklommen hatten. Neben der Treppe führte ein schmaler Flur zu den inneren Klassenräumen, die nach verrottendem Holz und Moder stanken.
Und nach Angst.
Angst, die das tiefste Innere erfasste und die Seele zerstörte.
Mit einem Schauder ging Nefri den Korridor entlang, um den überwältigenden Gefühlen zu folgen.
»Santiago?«
»Ich habe sie gefunden«, antwortete er. Seine Stimme klang leise und besänftigend.
Nefri betrat den dunklen Raum und ließ ihren Blick über die umgekippten Tische und die zerfallenden Bücher schweifen, die verstreut auf den verzogenen Fußbodendielen lagen.
Als sie sich einen Weg durch die Trümmer gebahnt hatte, fand sie Santiago unter einer zerbrochenen Tafel sitzend vor. Ein junger weiblicher Mensch saß zitternd auf seinem Schoß.
»Oh.« Nefri betrachtete das Mädchen, das nach menschlichen Maßstäben nicht älter als sechzehn Jahre alt sein konnte, prüfend. Es war beinahe vollständig nackt, nur ein winziger Tanga bedeckte seinen dünnen Körper. Sein langes, blondes Haar war verfilzt und sein Gesicht mit Staub und Tränen bedeckt. Aber es waren die unverkennbaren Wunden an seinem Hals, die Nefris Aufmerksamkeit erregten. Das Mädchen war von einem Vampir gebissen worden. »Armes Wesen«, murmelte die Vampirin.
Santiago blickte zu ihr auf, als sie sich ihm näherte. »Kannst du auf sie achtgeben?«
»Weshalb?«
»Ich muss sichergehen, dass uns keine verborgenen Überraschungen erwarten.«
»Das sollte ich übernehmen«, gab sie zurück. »Bleibe du bei dem Mädchen.«
Er zog die Augenbrauen zusammen. »Nefri.«
»Ich gehe keine unnötigen Risiken ein, das verspreche ich«, unterbrach sie ihn, um den unvermeidlichen Streit zu verhindern. Sie wusste, dass es hier nicht darum ging, wer die größte Macht besaß, sondern nur um seinen primitiven Drang, sie zu beschützen. »Nur ich kann Illusionen überwinden. Darüber hinaus hängt der Mensch an dir. Sehr wahrscheinlich geriete das Mädchen in Panik, wenn du es jetzt verließest.«
Sein Kiefer spannte sich an, aber er nickte widerstrebend. »Du hast recht«, gab er zu. »Ich werde versuchen, sie zu befragen.«
Nefri senkte ihren Blick zu dem weiblichen Menschen, der sich wie eine Klette an Santiago klammerte. Sein leises Wimmern wurde durch seine Brust gedämpft.
»Kannst du sie erreichen? Sie wirkt – gebrochen.«
Er strich sanft mit der Hand über das Haar des Mädchens. »Du hast deine Talente, ich habe meine.«
Das bezweifelte Nefri keinen Augenblick lang.
Trotz all seines großspurigen Auftretens lag zweifellos etwas Tröstliches in Santiagos Anwesenheit. Ein sicherer Hafen, auf den sich eine Frau verlassen konnte …
Sie machte abrupt einen Schritt nach hinten, als ihr Herz diese gefährlichen Worte raunte.
»Ich werde nicht lange fort sein«, murmelte sie und wandte sich um, um aus dem Raum zu eilen.
Während sie die Zauberworte sprach, die jede Illusion aufheben würde, die womöglich noch übrig war, durchschritt Nefri die übrigen Klassenräume, bevor sie die Treppe nach oben nahm. Sie konzentrierte sich auf die im Fußboden klaffenden Löcher und die stählernen Schließfächer, die umzustürzen drohten, um die Unvorsichtigen zu erschlagen. Ihr war alles recht, mit dessen Hilfe sie es vermeiden konnte, ihre widerspenstigen Emotionen ausloten zu müssen.
Mit einer Sache hatte Santiago recht.
Sie war tatsächlich eine Meisterin darin geworden, den Kopf in den Sand zu stecken.
Der ultimative Vogel
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