Guardians of Secret Powers - Das Siegel des Teufels
keine Lust, morgen früh eine halbe Stunde früher aufzustehen und mit dem Bus zur Schule zu fahren.«
»Ich komme mit«, bot Kimi mir sofort an. »Gar kein Problem.«
»Das ist lieb von dir, aber wirklich nicht nötig. Das wäre doch ein Riesenumweg für dich.« Ich beugte mich vor und drückte ihm einen sanften Kuss auf die Wange. »Vielen Dank für alles, Kimi. Bis morgen.«
Damit hatte er offensichtlich nicht gerechnet. »J-J-Ja, bis morgen«, stotterte er verlegen und errötete. »D-D-Dann mach ich auch einen Termin mit diesem Herrn von ⦠äh ⦠Hohenstein, okay? Mitte der Woche vielleicht?«
»Ja klar. Ich freu mich schon drauf, dich zu HvH zu begleiten!«
Es dämmerte bereits, als ich auf dem Schulhof eintraf. Der vor Kurzem noch strahlend blaue Himmel hatte sich inzwischen mit dunklen Wolken bezogen und leichtes Grummeln war in der Ferne zu vernehmen â offensichtlich war ein Gewitter im Anzug. Während ich hastig auf den Fahrradständer zuging, bemerkte ich, dass die Tür des Schulgebäudes offen stand.
Merkwürdig!
Man konnte über unserer Hausmeister ja so manches sagen â aber bestimmt nicht, dass er unzuverlässig war. Seinen Job versah Urs Petzner nämlich mit gröÃter Gewissenhaftigkeit, wenn nicht sogar mit ähnlicher Pedanterie wie Waldi. Es war deshalb ziemlich unwahrscheinlich, dass er schlichtweg vergessen haben sollte, die Hoftür abzuschlieÃen. Während ich noch darüber nachgrübelte, nahm ich eine Bewegung in den Augenwinkeln wahr. Oben auf dem Balkon des Turms, der die drei Gebäudeflügel weit überragte, stand eine Gestalt. Trotz der einsetzenden Dämmerung erkannte ich sie sofort: Es war Lars, der Sohn des Hausmeisters. Und seine Absicht war ebenso unverkennbar: Ganz offensichtlich wollte er sich in die Tiefe stürzen! Warum sonst schickte er sich gerade an, auf die steinerne Balkonbrüstung zu klettern?
Im ersten Moment war ich völlig fassungslos. Doch dann erfüllte mich eine so unbändige Wut, wie ich es kaum zuvor erlebt hatte. Da hatte ich am Vormittag einen Ermordeten entdeckt und am Nachmittag mit eigenen Augen mit ansehen müssen, wie ein Mensch auf grausame Weise zu Tode kam â und dieser Hirni war im Begriff, sein kostbares Leben einfach wegzuwerfen, als wäre es nichts weiter als ein Schnipsel Papier?
Ja, war der denn völlig bescheuert?
Was ich dann tat, würde wahrscheinlich jeden Psychologen oder Suizid-Experten nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen lassen. Ohne auch nur einen Gedanken über die Sinnhaftigkeit meines Tuns zu verschwenden, stürmte ich ins Schulgebäude und hetzte wild entschlossen die Treppen hoch. Selbst als ich durch die offene Balkontür erkannte, dass Lars bereits auf der Brüstung stand, hielt ich nicht inne, sondern stürmte einfach blindlings weiter. Ich sah noch den Ausdruck maÃlosen Erstaunens in seinem Gesicht â »Wo kommst du denn her?«, schien er mich fragen zu wollen â, da sprang ich auch schon mit einem mächtigen Hechtsprung auf ihn zu und riss ihn mit aller Kraft von der Brüstung!
Mit einem jähen Aufschrei stürzte Lars auf den Balkon zurück und knallte mit der Stirn gegen die Wand, während ich neben ihm auf dem Boden aufschlug und laut keuchend liegen blieb. »Bist du verrückt geworden?«, schrie ich, noch immer auÃer mir vor Wut. »Was soll der Unsinn?«
Lars rappelte sich mühsam auf und starrte mich an, als wäre ich ein Gespenst. Seine Augen waren mit Tränen gefüllt. Auf seiner Stirn klaffte einen mächtige Platzwunde, die so heftig blutete, dass sein Gesicht im Nu von roten Rinnsalen überzogen war. Er zitterte am ganzen Körper, brachte aber keinen Ton über die blassen Lippen.
Meine Wut war noch immer nicht verraucht. »Ich hab dich was gefragt, du Idiot!«, schrie ich erneut. »Warum machst du so einen Quatsch?«
Lars starrte mich nur an, als sei er in Trance. Trotz seiner massigen Gestalt wirkte er irgendwie hilflos und verloren wie ein kleines Kind. Die Wunde auf seiner Stirn blutete immer heftiger. Er wollte gerade antworten, als ihm ein Blutschwall in den geöffneten Mund lief und er vor Abscheu ausspuckte.
Verdammt, ich musste die Blutung schnellstens stoppen! Letztendlich hatte ich sie ja auch verursacht.
Ohne lange nachzudenken, beugte ich mich nach vorne und legte meine rechte Hand
Weitere Kostenlose Bücher