Guardians of Secret Powers - Das Siegel des Teufels
nervöser Tick, der seiner Einsamkeit und dem harten Leben auf der StraÃe geschuldet war. Urplötzlich aber konnte ich seine Worte klar und deutlich verstehen: »Du bist die Pentatrix, Nele. Du bist der Schlüssel zu allem und kannst deinem Schicksal deshalb nicht davonlaufen. Selbst wenn du schnell bist wie der Wind, holt es dich immer wieder ein!« Dazu leuchteten seine toten Augen mit einem Mal in einem strahlenden Blau, so faszinierend und unheimlich zugleich, dass es mir eiskalt über den Rücken lief.
Trotz des heillosen Schreckens, der mich durchfuhr, war ich wie gebannt und konnte meinen Blick nicht von dem Alten wenden. Mit einem Mal beugte er sich nach vorne und legte seine schwielige Pranke auf meinen Handrücken. Noch im gleichen Moment ergoss sich ein mächtiger Wärmestrom in meinen Arm und verbreitete sich rasend schnell im gesamten Körper. Alles um mich herum verblasste, und Bilder rasten durch meinen Kopf, die mir wie die Halluzinationen eines Drogensüchtigen vorkamen. Sie waren von so unfassbarer Schönheit und gleichzeitig so furchterregend, dass ich wie versteinert auf meinem Sitz verharrte und es einfach nur geschehen lieÃ.
Mir war, als wäre ich eins mit dem Kosmos. Ich schwebte durch das grenzenlose All, das sich bis in die Unendlichkeit ausdehnte. Myriaden von Sternen und Planeten kreisten in majestätischer Ruhe um die Sonne, deren strahlender Glanz mich in den Bann schlug. Dazu ertönten die gleichen beruhigenden Laute, die ich schon im Web vernommen hatte: der Atem und der Puls der Zeit.
Während ich das gleiÃende Himmelslicht noch mit andächtigem Staunen bewunderte, löste sich aus der Tiefe des Alls ein weiterer Stern, der sich rasch näherte und direkt auf die goldene Sonne zuhielt. Pechschwarz und immer gröÃer werdend, schien er alles Licht in seiner Bahn anzuziehen â wie ein gigantisches schwarzes Loch, das alles Leben rund um sich herum verschlingt.
Grenzenlose Furcht stieg in mir auf. Der alles übertönende Herzschlag wurde lauter und drohender â Kabumm! Kabumm! Kabumm! Während ich der gefräÃigen schwarzen Sonne noch entsetzt entgegenstarrte, löste sich eine riesige Schar pechschwarzer Flügelwesen aus ihrem Schatten und schwebte auf mich zu. Ihre Gesichter konnte ich nicht erkennen. Nur ihre Augen, die in einem giftigen Gelb aufleuchteten, das mir durch Mark und Bein ging. Mir war schon, als würde ich zu Eis erstarren, als sich aus der goldenen Sonne ebenfalls ein geflügeltes Heer löste, lichtweià und strahlend hell, und die Bahn der Dunkelschwingen kreuzte. Nur Augenblicke später war eine gigantische Schlacht im Gange, die alles übertraf, was ich jemals erlebt hatte.
Mit gewaltigem Getöse prallten die hellen und dunklen Heerscharen aufeinander. Mächtige Blitze zuckten durch die Unendlichkeit und grollender Donner tönte bis in die letzten Tiefen des Alls, sodass ich vor Entsetzen die Augen schloss und die Hände fest auf meine Ohren presste. Noch im gleichen Moment verebbte das Getöse und wurde von schrillem metallischem Kreischen übertönt. SchlieÃlich hallte eine Stimme wie von weit her an meine Ohren: »Rathaus Steglitz, Umsteigemöglichkeit zur U9!«
Erst nach einer Schrecksekunde ging mir auf, dass ich an meinem Zielbahnhof angekommen war. Wie in Panik sprang ich auf und stürzte im letzten Moment aus dem Waggon. Nur eine Sekunde später hallte die Aufforderung »Zurückbleiben, bitte!« über die Bahnsteige, während die Türen sich schlossen, und der Zug fuhr ab. Völlig durcheinander blieb ich stehen und starrte mit offenem Mund in das an mir vorbeirauschende Abteilfenster, um den blinden Alten noch einmal zu Gesicht zu bekommen.
Doch von diesem war nicht die geringste Spur mehr zu entdecken. Sein Sitz war genauso leer wie meiner, nur die leere Bierflasche rollte noch gemächlich darauf hin und her â und da erst begriff ich, wer er gewesen war: der Zeitenwanderer!
Der riesige Wohnblock an der Frankfurter Allee war einst zu Ehren von Josef Stalin errichtet worden. Diese unrühmliche Vergangenheit war ihm trotz zahlreicher Umbauarbeiten und Renovierungen immer noch anzusehen. Rico Marin jedoch störte das nicht im Geringsten. Im Gegenteil: Er war heilfroh gewesen, als er die Wohnung endlich bekommen hatte. Selbst für einen Automechaniker war die Miete erschwinglich, und trotz der zentralen Innenstadtlage
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