Guardians of Secret Powers - Das Siegel des Teufels
zu. »Jetzt tu doch endlich was!«
»Wieso denn ich? Ich dachte, du bist die Judoka!«
»Bin ich ja auch«, gab Lotti zurück. »Und zwar eine ziemlich gute! Aber leider keine Superwoman!«
Wie tröstlich, dass wir das geklärt hatten!
Obwohl ich fieberhaft überlegte, wollte mir einfach nicht einfallen, wie wir ihnen entkommen könnten. Aber da fühlte ich plötzlich ein Glühen auf meiner Brust â und noch im gleichen Moment wusste ich, was ich zu tun hatte.
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Die Schlangengrube
Eine der Lampen, die das düstere Kellergewölbe eher spärlich erhellten, flackerte unruhig, doch Aimi bekam das gar nicht richtig mit. Nackte Panik stieg in ihr auf. Sie hatte zwar schon häufiger an der Schlangengrube gestanden, aber sie noch niemals überqueren müssen. Doch jetzt blieb ihr einfach keine andere Wahl. An Umkehren war nicht zu denken und so blieb ihr nur ein einziger Erfolg versprechender Weg: über den schmalen, kaum einen Fuà breiten Holzsteg, der zum jenseitigen Rand der Grube führte. Dummerweise verliefen die dünnen, schon reichlich verwitterten Bretter â ob sie ihr Gewicht wohl tragen würden? â nicht einfach geradeaus, sondern in einem aberwitzigen Zickzackkurs über den Abgrund, was die Sache bestimmt nicht leichter machte.
Eher im Gegenteil!
Aimi schluckte beklommen und holte tief Luft. Reià dich zusammen und beruhige dich, sonst wirst du es niemals schaffen!, versuchte sie sich selbst Mut zu machen. Allerdings ohne jeden Erfolg: Das Herz schlug nur noch wilder in ihrer Brust und kalter Schweià trat auf ihre Stirn, während sie wie ein Kaninchen vor der Schlange an der Grube stand und keinen Schritt mehr vorwärts machte.
Dabei hatte sie es doch eilig!
Wenn sie die andere Seite nicht innerhalb von fünf Minuten erreichte, war alles verloren â und dennoch verweigerten die Beine ihr den Dienst. Stattdessen starrte sie wie hypnotisiert in den gähnenden Abgrund. Einen Sturz in die Tiefe würde sie kaum überleben â und falls doch, würden die giftigen Schlangen, die sich wie lebendig gewordene Wollfäden auf dem Grunde des Loches durcheinander kringelten, schon dafür sorgen, dass das nicht von langer Dauer war.
Fast endlose Sekunden verstrichen, bis Aimi ihr Fehler bewusst wurde. Dabei hatte Rena Neflin es ihr ein ums andere Mal eingebläut: »Wer den Abgrund fürchtet, darf niemals in die Tiefe sehen, sondern muss sich mit allen Sinnen einzig und alleine auf sein Ziel konzentrieren!« Erneut atmete Aimi tief durch und sammelte sich. Dann verengte sie den Blick, bis sie nichts anderes mehr sah als den Steg, der ihr Rettung versprach. Er schien breiter und breiter zu werden â jedenfalls kam ihr das so vor! â und plötzlich war alles ganz leicht. Behutsam setzte Aimi den linken Fuà auf das Brett und zog den anderen vorsichtig nach. Obwohl die dünne Diele unter ihrem Gewicht nachgab und sanft auf und ab federte, hatte sie wenig Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Wieder und wieder setzte sie einen Fuà vor den anderen und war schon fast an der ersten Spitzkehre angelangt, wo der Steg einen scharfen Knick nach rechts machte, als die Lampen schlagartig erloschen und das Gewölbe in stockfinsterer Dunkelheit versank.
Aimi schrie entsetzt auf und erstarrte mitten in der Bewegung. Doch schon Augenblicke später hatte sie sich wieder im Griff. Fast wie von selbst fielen ihr die Worte des blinden Bogenschützen wieder ein, der ihr und den anderen Warriors erst vor wenigen Wochen seine Künste demonstriert hatte: »Im Laufe der Evolution haben wir Menschen völlig vergessen, zu welch wundersamen Leistungen unsere fünf Sinne imstande sind. In früheren Zeiten war unser nacktes Ãberleben ganz allein von ihnen abhängig. Heute dagegen benötigen wir sie kaum noch und so schulen und üben wir sie nicht mehr im ausreichenden MaÃe, sodass sie mehr und mehr verkümmern. Dabei versorgen sie unser Gehirn in jeder Sekunde mit elf Billionen Bits Informationen. Doch davon nutzen wir lediglich einen winzigen Bruchteil: nämlich höchstens vierzig bis fünfzig Bits. Deshalb ahnen wir nicht einmal mehr, dass wir zum Beispiel unsere Ziele auch auf andere Weise ausmachen können als allein mit den Augen!« Das jedenfalls hatte er behauptet und mit kryptischen Worten auf seine ganz besondere Orientierungsmethode verwiesen: »Dabei müssten wir
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