Gucci, Glamour Und Champagner
eine scheuerte – mitten ins Gesicht. Sie schwankte kurz, taumelte rückwärts und vorwärts, hin und her zwischen flachem Fuß und Zehn-Zentimeter-Absatz, und versuchte dann mit einem Schritt rückwärts das Gleichgewicht zurückzuerlangen. Nur leider war da keine Bühne mehr. Ich hielt die Luft an und wartete darauf, dass ihre komödiantisch wild um sich schlagenden Arme sie wieder nach vorne treiben würden, aber vergebens. Wie ein Ziegelstein fiel sie von der Bühne direkt in einen wirren Haufen von Fotografen, die alle versuchten, einen guten Schnappschuss des Zickenkampfes zu ergattern. Mit dem Ausatmen wartete ich, bis ich sie schreien hörte, und sie ließ mich nicht lange warten.
Virginie und ich krochen vor zum Bühnenrand und beobachteten, wie Solène die helfenden Hände abwehrte, die versuchten, sie wieder auf die Beine zu ziehen. Ich winkte ihr mit einem billigen Lächeln zu, weil ich wieder lachen konnte, nachdem ich wusste, dass sie sich nicht versehentlich den Hals gebrochen hatte. Was dann doch ein wenig zu brutal gewesen wäre. Sie drängte sich zwischen den Blitzlichtern hindurch und verließ den Fotografengraben, um dann in der Menge zu verschwinden, die johlend ihren Abgang begrüßte.
Ich schüttelte meinen Kopf und betastete vorsichtig meine Wange. Ich konnte kaum glauben, dass sie tatsächlich zum Generalangriff übergegangen war. Und noch unfassbarer fand ich, dass Virginie sie k.o. und von der Bühne geschlagen hatte.
»Danke dafür«, sagte ich und drückte dabei gegen meinen Wangenknochen.
»Normalerweise bin ich nicht gewalttätig«, meinte Virginie errötend, »aber ich fühle mich jetzt besser.«
»Du bist mir keine Erklärung schuldig. Ich habe vollstes Verständnis dafür, dass man manchmal einfach jemand verprügeln muss. Oder mit einem Schuh zuschlagen muss. Dafür möchte ich mich übrigens noch mal entschuldigen.«
»Du hast mich doch gar nicht mit einem Schuh geschlagen«, meinte sie verwirrt.
Ich drehte mich um und sah Graham mit offenem Mund dastehen und das Chaos betrachten. Craig stand neben ihm, wirkte aber weitaus weniger besorgt, was er mit dem Rock’n’Roll-Zeichen unterstrich.
»Kein Alex?«, fragte ich ihn lautlos, weil ich nicht wusste, ob die Mikros noch an waren. Graham schüttelte achselzuckend den Kopf und deutete auf seine Uhr. Die Band sollte schon seit fünf Minuten auf der Bühne sein.
Ohne die Stegreifunterhaltung, die sie bei Laune hielt, wurde die Menge unruhig. Ein kleines Grüppchen vorne begann im Singsang nach Stills zu rufen, und der Ruf verbreitete sich bald wellenartig bis in die hinteren Reihen auf dem Platz. Graham reckte seine Hand in die Luft und wandte sich ab, das Telefon an sein Ohr gedrückt.
»Äh, ist das noch immer an?«, fragte ich ins Blaue hinein und hob ein herumliegendes Mikrofon vom Boden auf. Ein schrilles Quietschen aus den Lautsprechern vor mir bestätigte es. Und ohne zu wissen, was ich sagen würde, hatte ich plötzlich die Aufmerksamkeit der Menge, ob ich sie nun wollte oder nicht.
»Hi«, begann ich langsam. »Ich bin Angela. Bitte entschuldigt dieses Gerangel.«
Die Menge war plötzlich still. Alle starrten mich an.
Eine einsame Stimme aus dem Fotografengraben hustete und schrie dann hoch zur Bühne: » En Français? «
» Je suis desolée, je ne parlez vous la Français?« , stammelte ich meinen Standardsatz gegen die Welle der Buhs ins Mikrofon. »Aber ich bin mir sicher, dass Stills in einer Minute hier sein werden.«
Die Buhs wurden schwächer und gingen in einem verwirrten Massengeplapper unter.
»Ah, Stills seront sur la scène dans un moment «, Virginie nahm mir das Mikro aus der Hand, und die Menge reagierte darauf mit Jubel. »Sag was«, bedrängte mich Virginie, die Hand über dem Mikrofon. »Ich werde übersetzen.«
Ich nahm das Mikro zurück und starrte hinaus. Das waren wirklich eine Menge Menschen.
»Ich heiße Angela, und ich bin ein großer Stills-Fan«, dabei steckte ich das Mikrofon in den Ständer zurück.
Es gab eine kurze Verzögerung, bis Virginie übersetzt hatte, gefolgt von lautem Gebrüll.
»Was machst du da, Angela?«, brüllte Graham von hinter der Bühne. Craig war viel zu sehr damit beschäftigt, mit der Menge mitzubrüllen. Offenbar war er ein großer Fan seiner eigenen Band.
»Das weiß ich ehrlich gesagt nicht«, schrie ich zurück. »Ich würde ja gern sagen, dass ich Zeit für euch schinde, aber es könnte auch bedeuten, dass ich mich jetzt zum Volltrottel
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