Gucci, Glamour Und Champagner
mir ziemlich egal war. Wer musste in einem Zug schon scharf aussehen? Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht, putzte mir die Zähne und duschte kurz. Scharf brauchte ich vielleicht nicht zu sein, aber sauber schon. Selbst kaputte Menschen sollten ihren Hygienestandards treu bleiben.
Wieder zurück im Zimmer fiel mein Blick sofort auf die leere Bettseite. Offenbar war ich sofort eingeschlafen, als ich die Augen schloss, denn abgesehen von meiner zerwühlten Seite sah es noch immer genauso aus wie am vorigen Abend. Ich versuchte jeden Gedanken, wo er sein könnte, was er tat oder mit wem, auszusperren, nahm meine Tasche und verließ das Zimmer und schloss leise hinter mir die Tür.
»Mademoiselle?«
Alain saß noch immer an der Empfangstheke – hatten die vergangenen Stunden überhaupt stattgefunden? Die Sonne schien durchs Fenster und bestätigte mir, dass es tatsächlich Morgen war.
»Guten Morgen«, sagte ich und war selbst von meiner matten, monotonen Stimme überrascht. Ich hörte mich genauso beschissen an, wie ich aussah. »Ist das Taxi da?«
»Es ist da«, bestätigte Alain und zeigte dabei auf ein großes schwarzes Auto vor der Tür. »Werden wir Sie heute Abend sehen?«
»Verlassen Sie den Empfang denn nie?«, fragte ich, um nicht antworten zu müssen.
»Doch, manchmal schon«, sagte er und nickte. »Aber nicht oft.«
Ich lächelte oder versuchte es wenigstens und überlegte, was ich sonst noch sagen könnte. »Also herzlichen Dank. Sie waren brillant. Wirklich. Einfach großartig.«
»Ihr Taxi wartet«, sagte Alain verlegen und deutete auf die Tür. Offenbar waren nicht alle Hotelportiers wild auf üppiges Lob, sagte ich mir, nickte und ging nach draußen. Aber meine Erfahrung mit Hotelportiers war schließlich auch ziemlich begrenzt. Vielleicht gab es Menschen, die einfach gern für andere Leute da waren. Verrückt.
Ich warf mich in das wartende Taxi, bat den Fahrer, mich zum Gare du Nord zu bringen, steckte dann die Ohrstöpsel meines iPods ein und suchte was Lautes und Unverfängliches aus. Um sechs Uhr morgens wurde Paris erst langsam wach, ganz anders als New York um diese Zeit. Wäre ich so früh am Morgen mit dem Taxi durch Manhattan gefahren, dann hätte ich selbst an einem Wochenende Dutzende von Joggern und mindestens die gleiche Anzahl von Leuten, die jetzt erst nach Hause schlichen, gesehen, dazu noch eine ganze Reihe von Sadisten, die auf ihrem Weg ins Büro aus sämtlichen Starbucks-Filialen kamen. Häufig nach einem Umweg über ein Fitnessstudio.Verstehen werde ich das wohl nie.
Aber in Paris war das anders, jedenfalls in dem Teil, durch den ich fuhr. Es war so still, so ruhig. Für mich war Paris immer eine Stadt der Nacht gewesen, der hell erleuchtete Eiffelturm, das Moulin Rouge, die Bars und Cafés, aber in der Dämmerung seufzte und flüsterte die Stadt. Sie brauchte nicht zu schreien, dafür war sie viel zu kultiviert. Paris war die Stadt, die ich einmal sein wollte, wenn ich erwachsen war. Sollte dies jemals der Fall sein.
Die Fahrt zum Bahnhof war viel kürzer als gedacht, und da ich sonst nichts zu tun hatte, erklärte ich einen kleinen Tisch vor einem Café zu meinem Arbeitsplatz und holte meinen Laptop heraus. Ich wollte einfach nicht allein sein mit meinen Gedanken, es waren nämlich keine lustigen Reisegefährten. Ich loggte mich in das WiFi-Netz des Bahnhofs ein und beschloss, einen letzten Blog loszuschicken. Weiß Gott, ob The Look ihn überhaupt noch veröffentlichen würde, aber ich war entschlossen, mich zu Wort zu melden, solange ich noch Gelegenheit dazu hatte.
Angelas Abenteuer: Oh la bla
Also gut, ich muss was loswerden und hoffe, ihr habt nichts dagegen, dass ich mal etwas Luft ablasse. Ich hatte früher schon mal Probleme mit Mädchen, die haben wir schließlich alle, stimmt’s? Aber ich hatte vor (ganz) Kurzem das Pech, von einem anderen Mädchen komplett verarscht zu werden. Und das in der Tat nicht nur von einem, sondern von zweien. Eigentlich von dreien. Mist. Drei. In einer Woche.
Was ist da los? Hat da jemand ein Memo in Umlauf gebracht, von dem ich nichts erfahren habe? Hat jemand die Internationale ›Zieht-Angela-über-den-Tisch-Woche‹ ausgerufen?
Ich hielt inne und starrte auf den Bildschirm. Wohin sollte das führen? Was gab es sonst noch zu sagen? Mir war nicht wirklich an einem Online-Zusammenbruch gelegen. Das musste aufhören, bevor ich mir öffentlich den Kopf rasierte und mit einem Schirm auf ein Auto eindrosch. Und ich hatte
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