Gucci war gestern: Bekenntnisse einer eingebildeten Glamour-Queen, oder warum Sie nie mit Ihrer Pradatasche aufs Arbeitsamt gehen sollten (German Edition)
wildfremde Menschen herzieht? Und weißt du was? Würdest du mit dem Flugzeug in den Anden abstürzen, dann würdest du dir wünschen, dass ich mit an Bord wäre, denn mit diesem ganzen überschüssigen Fett würde ich sicher SUPER-LECKER schmecken«, zische ich ihr mit nicht mal zehn Zentimeter Abstand ins Gesicht. Wenn man sich schon mit jemandem anlegen will, dann ist es, wie ich herausgefunden habe, sehr viel beängstigender, ganz nahe ranzugehen und zu flüstern, als jemanden von weitem anzubrüllen.
Sie und ihre Freundin suchen schleunigst das Weite, während ich ihnen hinterherkeife: »Wenn ihr am Sonntag auch so schnell rennt, gewinnt ihr bestimmt! Viel Glück!«
Inzwischen starren mich sämtliche Anwesenden im südlichen Ausstellungsbereich an. Also ziehe ich genüsslich das Twix aus der Tasche und beginne, es so geräuschvoll und widerlich schmatzend wie möglich zu vertilgen. Übertrieben schwerfällig watschele ich zur T-Shirt-Ausgabe, wo ich dann feststellen muss, dass es für jede Größe eine eigene Warteschlange gibt. Mit einer schokoladenverschmierten Hand winke ich einem der freiwilligen Helfer zu und brülle in aufgesetztem New Yorker Akzent: »Hey du, Kleine. Habt ihr die Shirts auch in XXXL? Damit sie auch all meine wuuuunderschönen Kurven bedecken.« Der Karen-Carpenter-Verschnitt zeigt mit seinem knochigen Finger in Richtung der größten T-Shirts, und ich setze mich schwabbelnd in Bewegung. 121
Entschlossen stopfe ich mir den restlichen Schokoriegel in den Mund, lecke mir schmatzend die Lefzen und wische mir die Schokopfoten an dem Studebaker ab, auch mein Hinterteil genannt. Dann erkläre ich der in New-Balance-Fitnessklamotten gewandeten Ally McBeal hinter mir: »Verdammt. So ein Twix ist echt fett! Und jetzt noch eine rauchen. Haben Sie vielleicht Feuer?«, frage ich.
Angeekelt verzieht sie das Gesicht. »Im Messezentrum ist Rauchen nicht gestattet. Und außerdem ist das gar nicht gut für Sie.«
»Sind Jack Daniel‘s und mein Freund Snake auch nicht, aber das heißt nicht, dass man mit ihnen nicht’ne Menge Spaß haben kann«, entgegne ich und untermale diese Aussage mit einem schallenden Klaps auf meinen eigenen Hintern und einer obszönen Hüftbewegung.
Der Ausdruck auf ihrem ausgemergelten kleinen Gesicht ist unbezahlbar.
Nachdem meine Würde und mein T-Shirt gerettet sind, mache ich mich schleunigst aus dem Staub. 122 Ich bin so froh, endlich diesen Gesundheits- und Fitnessnazis entkommen zu sein, dass mir die folgende halbe Stunde auf der Schnellstraße überhaupt nichts ausmacht.
Denn im großen Buch der Gefälligkeiten sind Carol und ich jetzt quitt.
Jetzt, wo Fletch auch nicht mehr zur Arbeit geht, haben wir jede Menge Zeit, mit Maisy und Loki in den Park zu gehen. Chicago ist eine hundefreundliche Stadt. Es gibt hier massenweise ausgewiesene Hundefreilaufflächen, die mit doppelten Toren versehen und komplett eingezäunt sind, damit die Hunde nach Herzenslust laufen und toben können. In den Parks gibt es niedrige Trinkbrunnen für die Hunde, Bänke für ihre Besitzer und kostenlose Kotbeutelchen. 123 Unsere Hunde lieben die Ausflüge in den Park, weil sie hier den Auslauf bekommen, den ihre dickliche Hauptbezugsperson ihnen sonst nicht bieten kann. Ein paar Mal habe ich versucht, mit ihnen joggen zu gehen, aber sie haben die Leinen um meine Beine gewickelt, bis ich aussah wie ein Rollmops, und sind dauernd stehen geblieben, um zu schnüffeln, und dann bin ich über sie gestolpert, und bei dem schrecklichen Seitenstechen und den Schmerzen in der Brust dachte ich irgendwann, das ist einfach zu gefährlich.
Das Beste am Hundepark sind allerdings die zwischenmenschlichen Kontakte. Für jemanden wie mich, dem es schwerfällt, freundlich zu Fremden zu sein, ist es hier ein Leichtes, das Eis zu brechen – man redet einfach über die Hunde! Ich habe jede Menge interessanter Leute kennengelernt im Walsh Park, und mit einigen bin ich inzwischen richtig befreundet.
Unter die coolen, tätowierten professionellen Gassigänger, die allesamt in irgendwelchen Bands spielen und sich mit dem Hundejob bloß ihre Brötchen verdienen, mischen sich ehemalige Marketinggurus, arbeitslose Hochschulabsolventen und entlassene Projektmanager. Ein eklektischer Haufen, dennoch stimmt irgendwie die Mischung, und wir verstehen uns blendend. Wenn ein Neuer in unsere Gruppe kommt, erkundigen wir uns als Erstes: »Und was haben Sie früher gemacht?« Eine Weile hatten wir sogar einen
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