Gucci war gestern: Bekenntnisse einer eingebildeten Glamour-Queen, oder warum Sie nie mit Ihrer Pradatasche aufs Arbeitsamt gehen sollten (German Edition)
Rendezvous gehen möchte. 113
Ehe ich rausgehe, werfe ich noch schnell einen Blick in den Spiegel im Flur. Meine Honig-Karamell-Highlights leuchten wie immer, und auf meiner Nase tummeln sich noch die letzten Sommersprossen. Einfach zum Anbeißen. Und in meiner rabenschwarzen Ralph-Lauren-Caprihose mit dem passenden Baumwollpulli sehe ich wirklich hinreißend aus. Gut, es ist zwar eine etwas größere Größe, aber bei den Haaren, dem Schmuck und der Chanel-Tasche fällt mein ausladendes Hinterteil kaum auf. 114 Ich komme zu dem Schluss, dass ich tatsächlich, dicke Kiste hin oder her, umwerfend aussehe. Schnell schnappe ich mir noch ein Twix für den Weg und mache mich auf die Socken.
Ich sattele den Caddy und tuckere den knappen Kilometer zur Schnellstraße – wo ich prompt über eine Stunde im Stau stecke. Da ich nicht mehr pendele, hatte ich vollkommen vergessen, wie schlimm der Freitagnachmittagsverkehr sein kann. Warum habe ich mich auch auf diese blöde Mission eingelassen? Entnervt stecke ich ein Album von James in den CD-Spieler, wähle den Song »Laid« aus und drehe die Musik auf volle Lautstärke, um meine verkehrsbedingt zerrütteten Nerven zu beruhigen. 115
Schließlich komme ich an eine Abfahrt, an der ich die Schnellstraße verlassen kann. Die Gelegenheit lasse ich mir nicht entgehen, denn ich bin schließlich ein cleveres Chicago-Girl, also nehme ich einfach eine Abkürzung, schlage dem Stau ein Schnippchen und bin vor allen anderen am McCormick-Place-Messezentrum. Ha! Guckt mal, wie all die Lemming-Touristen den langen Umweg fahren! Trottel!
Merke: NIE, NIEMALS, UNTER KEINEN UMSTÄNDEN je wieder versuchen, eine Abkürzung zum McCormick-Place-Messezentrum zu nehmen.
Okay, stellen Sie sich ganze Straßenzüge ausgebombter Schaufensterfronten vor, in denen sich der Müll türmt, dazu traurige Gestalten, die aus braunen Papiertüten bräunliche Flüssigkeiten trinken, während sie Kohlehydrat-Barbie mustern, die in ihrer Luxuskarosse gerade KOMPLETT AUSFLIPPT, und schon haben sie einen recht genauen Eindruck der letzten halben Stunde meines Lebens. 116 Da es NICHT in Frage kam, einfach anzuhalten und nach dem Weg zu fragen, tat ich das Einzige, was ich in der Situation tun konnte – meine Angst in Wut umwandeln und anderen Leuten die Schuld an meiner Misere geben. Blöder Pete. Warum konnte der nicht beim Boston Marathon mitlaufen? Blöde Carol. Eigentlich müsste sie mich doch längst abgrundtief hassen. Warum mag die mich noch immer? Blöder Fletch. Warum weiß der immer ganz genau, welche Knöpfe er bei mir drücken muss, damit ich Gewissensbisse bekomme? Von Rechts wegen sollte ich jetzt zuhause vor dem Fernseher sitzen und zuschauen, wie Hildy Kätzchen an die Wand eines Eigenheimbesitzers tackert, und nicht durch die schaurigste Gegend diesseits und jenseits des Äquators gurken. Blöder Bürgermeister Daley. Warum lässt der nicht Schilder aufstellen, auf denen stand, unbedarfte ehemalige Studentenverbindungsmädels sollten unter keinen Umständen in Luxuslimousinen durch die Robert-Taylor-Sozialbausiedlung kurven?
Mit voller Absicht überfuhr ich jede rote Ampel, die mir vor den Kühler kam, in der Hoffnung, dass die Bullen es merken und mich hier raus eskortieren, aber vergebens. Blöde Polizei. Irgendwie schaffte ich es unbeschadet bis zum Messezentrum, was man von den vielen Verkehrsregeln nicht gerade behaupten kann, die ich unterwegs gebrochen habe.
Wie dem auch sei, ein interessantes Detail bezüglich des Messezentrums möchte ich Ihnen nicht vorenthalten. Es ist groß.
Enorm groß.
Ungefähr eine Million Quadratmeter Ausstellungsfläche.
Also marschiere ich die zwei Kilometer vom Parkhaus zum Haupteingang und verfluchte Carol noch ein bisschen mehr. Hätte ich gewusst, dass ich so weit laufen muss, hätte ich nicht diese blöden Riemchenschuhe angezogen. Mit jedem Schritt schneidet die Schnalle ein bisschen tiefer ins Fleisch ein. Wie ich so dahinhumpele, kommt mir der Gedanke, mich mit Leutegucken ein bisschen von den Schmerzen abzulenken. Hm … hässlich … hässlich … Klappergestell … Hoppla, büschelweise Ohrenhaare … hässlich … schicke Jeans – ha! 1984 hat angerufen und will seine Hose zurück … würg, Eau de Toilette benutzt man nach dem Duschen, nicht stattdessen, junger Mann … langweilig … wow, der hat aber tierische Waden … hm, und der auch … schöner Vokuhila, Trottel … igitt, man nennt das plastische Nasen-OP, solltest du dir vielleicht
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