Gucci war gestern: Bekenntnisse einer eingebildeten Glamour-Queen, oder warum Sie nie mit Ihrer Pradatasche aufs Arbeitsamt gehen sollten (German Edition)
Ich kann mich einfach nicht entscheiden, ob ich die schwarzen Krokoledersandaletten mit den schmalen Riemchen möchte oder doch lieber die glänzenden schokobraunen Audrey-Hepburn-Pumps mit dem zierlichen geschwungenen Absatz, also nehme ich einfach beide. Wobei ich mir einzureden versuche, dass ich ein Paar zurückbringe, aber selbst der durchgeknallte obdachlose Kerl, den ich vorhin gesehen habe, der einen Kartoffelsack und einen Mülleimerdeckel auf dem Kopf trug, hätte sich denken können, dass das gelogen ist.
Mit Schuhkartons und einem White Caffè Mocca beladen kämpfe ich mich um fünf vor halb vier die Rolltreppe hinunter. Zwar mag ich gelegentlich mal zu der einen oder anderen Verabredung in meinem Leben zu spät kommen, aber zu einem Friseurtermin niemals . Eine perfekte Frisur ist viel zu wichtig für mein inneres Gleichgewicht, und sollte mich das so viel kosten wie das Bruttoinlandsprodukt von Guam, dann soll es so sein. Schließlich arbeite ich hart dafür.
Mutter Natur hat mich mit einem Lockenkopf bedacht, der nur zu gern zum Krisseln neigt. Vierzehn Jahre lang habe ich mit meiner widerspenstigen Krause gekämpft, bis ich im ersten Schuljahr auf der Highschool schließlich Föhnbürsten und Haarschaum entdeckte. Gott sei Dank habe ich die Sache noch in den Griff bekommen, ehe die Fotos fürs Jahrbuch gemacht wurden.
Auf dem College trug ich eine voluminöse Achtziger-Jahre-Mähne. Nach meinem Abschluss kam ich zu dem Schluss, dass ich eine Geschäftsfrauenfrisur brauchte, und das bedeutete einen Kurzhaarschnitt. Als ich bei der Krankenversicherung anfing, ließ ich mir beinahe vierzig Zentimeter Wallemähne abschneiden, und das war bisher das einzige Mal, dass Fletch in meiner Gegenwart mit den Tränen kämpfen musste. Der größte Fehler aller Zeiten. Es hat EWIG gedauert, bis sie wieder schulterlang waren, und als mir mein brasilianischer Exfriseur im darauffolgenden Herbst versehentlich Stufen hineinschnitt, weil er gerade Schnupfenspray geschnüffelt hatte, war ich versucht, ihn kurzerhand abschieben zu lassen.
In meinem vorigen Job trug ich einen schwarz gefärbten Bob. Den kombinierte ich mit strengen schwarzen Brillen im Sekretärinnenlook, um bei den Meetings mit den Dot-Com-Hühnern nicht so aufzufallen.
Jetzt, wo ich ständig mit Medienleuten zu tun habe, bin ich beinahe vollständig erblondet und föhne und style mir jeden Morgen die Haare. Mir gefällt die Frisur, aber es kostet viel Zeit und Mühe, damit sie gut aussieht. Einmal im Monat gehe ich zum Färben und Schneiden, und alle zwei Wochen brauche ich eine Tiefenkur. Und wenn ich dann schon mal im Salon bin, gönne ich mir ein paar Wellnessanwendungen. Auch wenn ich mir jede Menge Sonderbehandlungen angedeihen lasse wie Wickel, Peelings und Schnurrbartentfernung 33 , ist mir eine ganz einfache Maniküre und Pediküre noch immer am liebsten. Gleichzeitig werden Hände und Füße bearbeitet, und man selbst sitzt derweilen in einem angenehm vibrierenden Massagesessel. Für mich der Collegemädchentraum eines flotten Dreiers.
Zielstrebig steuere ich auf die Rezeption zu. Ein halbes Dutzend magersüchtiger zwanzigjähriger Nymphchen, ausnahmslos in Schwarz gekleidet, steht plappernd und posierend hinter dem in Chrom und Glas gehaltenen Empfangsschalter. Mit einem erwartungsvollen Lächeln schaue ich sie an. Ich bin Stammkundin und bekannt für meine großzügigen Trinkgelder, weshalb ich eigentlich erwarte, dass man bei meiner Ankunft strammsteht und mir ergeben zu Diensten ist. Mit ihren ausdruckslosen Kulleraugen schauen sie mich an und scheinen mich doch gar nicht wahrzunehmen. Mein Fehler: Hatte doch glatt vergessen, dass am Wochenende immer jede Menge Möchtegernmodels am Empfang aushelfen. Ich muss mich mit einfachen kurzen Wörtern verständlich machen.
»Hallo, wie geht’s? Ich habe einen Termin um halb vier bei Rory. Mein Name ist Lancaster.« Erneutes Grinsen meinerseits. Ein paar der Hühner blinzeln mich träge an, dann nehmen sie völlig unbeeindruckt ihren fallengelassenen Gesprächsfaden wieder auf und lassen sich über Justin Timberlands beachtlichen Sexappeal aus. So hübsch die Gesichter, so leer die Köpfchen.
»Ich bin zum Färben hier«, erkläre ich.
Keine Reaktion.
»Bei Rory«, führe ich weiter aus. Man hört beinahe den Wind durch ihre Ohren rauschen.
»Um halb vier.« Wenn ich die Informationen in kleine Häppchen aufteile, vielleicht können sie sie dann leichter verdauen.
Nichts.
»Mein Name ist
Weitere Kostenlose Bücher