Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
kostengünstig obendrein.
Nein, dass jemand vierzig Kilo Kokain zum Fenster hinauswarf, nur um Paolicelli in den Knast zu bringen, war ausgeschlossen. Was jedoch nicht hieß, dass die Zollfahnder von alleine fündig geworden wären. Es war anzunehmen, dass sie von jemandem den Hinweis bekommen hatten, dass sich in dem Wagen aus Montenegro eine größere Ladung lupenreinen Kokains befand. Aber dieser Jemand war bestimmt nicht der Eigentümer der Droge, und er hatte Fabio Raybàn den Schnee sicherlich nicht untergeschoben, um ihn zu ruinieren.
Wir können also ausschließen, dass ein und dieselbe Person das Kokain in Paolicellis Wagen versteckt und ihn anschließend beim Zoll angezeigt hat. Und nehmen wir einmal an, Paolicelli sagt die Wahrheit und ist tatsächlich unschuldig. Was zum Teufel ist an diesem Punkt zu tun?
Na, wir müssen eben herausfinden, wer das Kokain wirklich in seinem Wagen versteckt hat, sagte ich mir.
Ach so, wenn es weiter nichts ist: Ich decke mal eben den internationalen Ring von Dealern auf, die das Rauschgift in den Wagen geschmuggelt haben, und zwinge sie, im Berufungsprozess auszusagen. Worauf die Herrschaften, von Gewissensbissen gepeinigt, ein umfassendes Geständnis ablegen, mit dem sie meinen Mandanten entlasten. Paolicelli wird freigesprochen, die Gerechtigkeit triumphiert, und Anwalt Guerrieri steigt endgültig zum Mythos auf.
War Paolicelli wirklich unschuldig, dann war das der schlimmste Fall meiner so genannten Karriere, sagte ich mir, während ich die letzten Seiten der Akte durchblätterte. Kurz vor Ende tauchte noch eine Kopie von Paolicellis polizeilichem Führungszeugnis auf. Es enthielt, was ich mir ohnehin hätte denken können. Uralte Vorstrafen eines Minderjährigen wegen Raufereien, Körperverletzung und unerlaubten Waffenbesitzes. Alles Vorfälle aus den Jahren der Straßenschlachten und der faschistischen Schlägertrupps. Kein einziger Eintrag mehr nach 1981.
Während ich das Führungszeugnis las, ertappte ich mich bei dem Gedanken, dass ich noch bis vor wenigen Stunden entschlossen gewesen war, diesen Auftrag nicht anzunehmen.
Bis zu dem Moment, in dem Frau Natsu Kawabata mein Büro betreten hatte.
6
I ch ordnete meine Notizen und versuchte vor allem, meine Gedanken zu ordnen.
Wenn Paolicelli ungeschoren davonkommen sollte – die Aussicht war freilich minimal -, musste die eine oder andere Nachforschung angestellt werden. Und hier begannen bereits die Probleme.
Bis jetzt hatte ich mich erst zweimal an Privatdetekteien gewandt, beide Mal mit katastrophalem Ergebnis. Dabei hatte es sich um weit weniger problematische Fälle als den Paolicellis gehandelt. Nach der zweiten Erfahrung hatte ich mir geschworen, es nie wieder zu tun.
Ich sagte mir, dass ich mit Carmelo Tancredi reden müsse.
Carmelo Tancredi ist Polizeiinspektor, spezialisiert auf die Jagd nach dem Abschaum der Menschheit: Vergewaltiger, Peiniger, Kinderschänder.
Er sieht aus wie ein mexikanischer Bauer aus einem zweitklassigen Western, gutmütig und ein wenig tollpatschig, hat aber einen Spürsinn, wie man ihn sonst nur von Polizisten aus Kriminalromanen kennt, und kann zubeißen wie ein tollwütiger Pitbull.
Ich nahm mir vor, ihn zu fragen, was er von der Sache hielt. Ob es tatsächlich denkbar war, dass jemand Paolicellis Wagen in Montenegro heimlich mit Drogen beladen hatte, um sie ihm hinterher in Italien wieder abzunehmen. Und ob es seiner Ansicht nach sinnvoll war, Nachforschungen anzustellen, mit deren Hilfe ich meinen Mandanten entlasten konnte.
Abgesehen davon wollte ich ein wenig herumfragen, ob irgendjemand diesen Anwalt namens Macrì kannte. Ich musste seinen Platz in diesem Mosaik herausfinden, das war sehr wichtig.
Vorausgesetzt natürlich, dass es ein Mosaik gab und dass die Dinge nicht sehr viel einfacher lagen. Beispielsweise, dass das Rauschgift einfach Paolicelli und irgendeinem bislang unbekannten Kompagnon gehörte, der Anwalt von ihren Komplizen engagiert worden war – was in solchen Kreisen durchaus vorkommt – und dass Paolicellis Frau selbstverständlich von alldem nichts wusste.
Immerhin hatte ich jetzt einen Plan – mit Tancredi sprechen, Informationen über Macrì einholen – und damit das Gefühl, einen guten Schritt vorangekommen zu sein. Ich sah auf die Uhr, es war zwei.
Einen Moment lang tauchte Margherita in meinen Gedanken auf. Dann löste sich ihre Gestalt auch schon wieder im Negativ jenes fernen Septembernachmittags auf und verflüchtigte sich in
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