Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
anzukommen, den rituellen Kaffee zu trinken und all das andere. Manchmal sah ich mich um, wenn ich durch die Bar ging. Betrachtete die jungen, häufig übertrieben elegant gekleideten Anwälte und die jungen Frauen – Sekretärinnen, Referendarinnen, die eine oder andere Richterin oder Staatsanwältin im Praktikum.
Sie kamen mir alle ziemlich beschränkt vor, und mein banaler Gedanke war: Wir waren in diesem Alter anders, und zwar besser.
Solche Dummheiten drängen sich einem unweigerlich auf, ohne dass man es verhindern könnte. Wenn diese Leute so blöd sind, gibt es auch keinen Grund, sie zu beneiden; dann gibt es keinen Grund, sie um ihre Jugend zu beneiden, um ihre gesunden Gelenke, ihre grenzenlosen Möglichkeiten. Es sind Idioten, das erkennt man schon daran, wie sie sich benehmen, in der Bar und anderswo. Wir waren besser und sind besser, warum sollten wir sie also beneiden?
Eben, warum? Ach, rutscht mir doch den Buckel runter.
Kurz, ich brachte meine Verhandlungen hinter mich, indem ich metaphorisch die Luft anhielt, und war um zwölf wieder draußen.
Zwanzig nach zwölf stand ich vor dem Polizeipräsidium und rief Tancredi an, um ihm zu sagen, ich würde unten auf ihn warten. Als er schließlich runterkam, fand ich, dass er aussah wie einer, der die Nacht in Mantel und Schuhen auf dem Sofa verbracht hat. Und wahrscheinlich lag ich damit sogar ziemlich richtig.
Wir hatten uns länger nicht mehr gesehen, deshalb fragte er mich als Erstes nach Margherita. Ich sagte ihm, sie sei seit ein paar Monaten aus beruflichen Gründen im Ausland, und versuchte dabei möglichst unbeteiligt und locker zu wirken. Was mir natürlich nicht gelang, das konnte ich an seinem Gesicht ablesen. Um das Thema zu wechseln, erkundigte ich mich nach seiner Diplomarbeit. Tancredi hatte Psychologie studiert und war schon seit einiger Zeit mit allen Prüfungen fertig, nur die Diplomarbeit fehlte ihm noch. Er meinte, er sei schon eine ganze Weile nicht mehr dazu gekommen, daran zu arbeiten, und aus der Art, wie er das sagte, schloss ich, dass ich seinen Fauxpas erwidert hatte.
Damit waren wir quitt und konnten zum Aperitif übergehen.
Wir wählten dafür ein Weinlokal aus, das wenige hundert Meter vom Polizeipräsidium entfernt liegt und von einem Freund Tancredis bewirtschaftet wird. Es ist vor allem bei Nacht gut besucht, um die Mittagszeit jedoch leer – der ideale Ort, um sich in Ruhe zu unterhalten.
Wir bestellten sizilianischen Weißwein und Austern. Nachdem die erste Platte verspeist war, fanden wir beide, dass Nachschub angesagt war. Also ließen wir noch eine Platte kommen und tranken dazu mehrere Gläser Wein.
Als Tancredi die letzte Auster ausgeschlürft hatte, steckte er sich den Zigarrenstummel in den Mund, den er immer bei sich trug und fast nie anzündete, schob seinen Stuhl zurück und fragte mich, was ich von ihm wollte. Ich erzählte ihm die Geschichte von Paolicelli, ohne irgendetwas auszulassen, und meinte zum Schluss, ich bräuchte seinen fachmännischen Rat.
Tancredi machte eine auffordernde Geste mit der Hand, in der er den Zigarrenstummel hielt.
»Erste Frage, sozusagen vorab: Ist dir irgendein Fall von Rauschgiftschmuggel bekannt, bei dem man das Zeug in den Autos von Leuten versteckt hat, die davon nichts wussten? Ist die Polizei bei ihren Ermittlungen je auf etwas Derartiges gestoßen?«
»Und ob! Diese Methode war eine Zeitlang sehr beliebt bei türkischen Heroinhändlern. Sie suchten sich italienische Touristen aus, die mit dem Auto in die Türkei gekommen waren, stahlen ihnen den Wagen, stopften ihn mit Heroin voll und richteten es so ein, dass die Leute ihr Fahrzeug wiederfanden, noch bevor sie zur Polizei gehen und den Diebstahl anzeigen konnten. Und der freundliche Mensch, der ihnen half, es wiederzufinden, kassierte meist auch noch Finderlohn. Wenn sich die Autobesitzer dann auf die Heimreise machten, hefteten sich die guten Türken diskret an ihre Fersen, um die Ladung unter Kontrolle zu halten. Flog die Sache an der Grenze auf, war das einzig und allein das Problem des ahnungslosen Touristen. Verlief die Grenzüberschreitung problemlos, traten die italienischen Freunde in Aktion. Das Fahrzeug wurde bei erster Gelegenheit wieder geklaut, allerdings mit dem Unterschied, dass es diesmal nicht zu seinem Besitzer zurückfand. Ende der Geschichte.«
»Wie lange liegt das zurück?«
»Soweit ich weiß, konnte diese Vorgehensweise in zwei Fällen nachgewiesen werden – einmal im Rahmen einer
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