Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
großen Ermittlungsaktion durch die Staatsanwaltschaft und die Polizei von Turin, das andere Mal hier in Bari, durch unsere Drogenfahnder. Beides liegt drei, vier Jahre zurück.«
Ich fuhr mir mit der Hand übers Gesicht und rieb mir die Bartstoppeln. Rein theoretisch war also möglich, dass Paolicelli die Wahrheit gesagt hatte; von Autodiebstahl war bei ihm zwar nicht die Rede gewesen, aber die Geschichte mit dem Hotelportier ergab Sinn.
»Sind dir auch Fälle bekannt, in denen die Autos nicht gestohlen wurden?«
»Du meinst Fälle, in denen sie den Leuten die Drogen einfach überlassen haben, sozusagen als Geschenk?«
»Sehr witzig. Ich meine, ob das Rauschgift manchmal auch in den Autos versteckt wurde, ohne dass sie gestohlen wurden?«
Während Tancredi antwortete, hatte ich das deutliche Gefühl, dass er mir nicht alles sagte, was er wusste.
»Nein, ein konkreter Fall ist mir nicht bekannt, aber unmöglich ist es nicht. Wenn du weißt, wo der Wagen steht, und genug Zeit zur Verfügung hast, kannst du die Operation auch durchführen, ohne das Auto zu stehlen, oder indem du es einfach mitnimmst und hinterher wieder zurückstellst. Der Besitzer braucht nichts davon mitzubekommen.«
»Lass uns mal ein kleines Gedankenexperiment machen: Stell dir vor, du bist Privatdetektiv und bekommst den Auftrag, nach Indizien zu suchen, die Paolicelli entlasten. Was würdest du tun?«
»Ein Gedankenexperiment, was? Also erstens bin ich kein Privatdetektiv. Und zweitens ist noch lange nicht gesagt, dass dein neuer Mandant unschuldig ist. Denn auch wenn es möglich ist, dass jemandem der Wagen mit Drogen vollgeladen wird, die ihm nicht gehören – wer sagt uns denn, dass es in diesem Fall tatsächlich so war? Die wahrscheinlichste Lösung...«
»Ich hasse es, wenn mir Bullen mit logischen Spekulationen kommen. Klar, die wahrscheinlichste Lösung ist, dass die Drogen ihm gehört haben, das weiß ich auch. Wenn jemand mit einem Auto voller Kokain erwischt wird, denkt zunächst jeder, das Zeug gehört ihm. Aber lassen wir das mal beiseite und stellen uns vor, du wärst Privatdetektiv...«
»Wenn ich Privatdetektiv wäre, würde ich zuallererst mal einen fetten Vorschuss kassieren, noch bevor ich ein Wort sage oder einen Finger rühre. Und dann würde ich mir noch mal den guten Paolicelli und seine Gattin vorknöpfen. Die, wenn ich das recht verstanden habe, alles andere als ein Scheusal ist.«
Tancredi verstand es, im Gesicht eines Menschen eine Menge Dinge zu lesen. Ich fand seine Gabe in diesem Moment nicht sonderlich angenehm.
»Außerdem würde ich versuchen herauszubekommen, ob dieser Hotelportier ernsthaft verdächtig ist oder nicht. Auch wenn es dir nicht viel bringen wird, das zu wissen.«
»Wie meinst du das?«
»Na ja, um konkret etwas über ihn oder das Hotelpersonal zu erfahren, müssten offizielle Ermittlungen eingeleitet werden. Und dafür bräuchte es die Mitarbeit der Polizei von Montenegro, deren oberste Vertreter – wenigstens einige davon – jahrelang den internationalen Zigarettenschmuggel gemanagt haben, gemeinsam mit ein paar Ministern. Ich weiß nicht, ob dir klar ist, von was für Leuten wir da reden.«
Es war mir klar.
»In jedem Fall würde ich mir von Paolicelli und seiner Frau erzählen lassen, ob ihnen während der Ferien, und besonders in den letzten Tagen, irgendetwas Ungewöhnliches aufgefallen ist, und sei es noch so nebensächlich. Ob sie Leute kennengelernt haben, vor allem solche, die auffällig nett und an einer Freundschaft mit ihnen interessiert waren. Ob sie sich mit irgendjemandem länger unterhalten haben, und ob dieser Jemand sie ausgefragt hat: Woher kommt ihr, wie lange seid ihr schon hier, wann fahrt ihr wieder ab? Vor allem Letzteres. Hinsichtlich des Portiers würde ich mir jede Kleinigkeit berichten lassen, an die sie sich erinnern. Und dasselbe gilt für den Hotelbesitzer oder andere Angestellte – Kellner etwa -, die irgendwie ihre Aufmerksamkeit erregt haben.«
»Und dann?«
»Kommt darauf an, was sie dir sagen. Sollte sich herausstellen, dass es in Montenegro tatsächlich einen Schnüffler gab, musst du überprüfen, ob er bei der Heimreise der Paolicellis auf derselben Fähre war.«
»Und wie, bitte, soll ich das machen?«
Er setzte eine gespielt bedauernde Miene auf.
»Ach so, stimmt. Das kannst du ja gar nicht.«
»Komm schon, Carmelo, hilf mir. Bitte. Ich möchte nur wissen, ob Paolicelli mir einen Bären aufgebunden hat oder wirklich unschuldig ist.
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