Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
gekommen war.
Weißt du noch, wie du und deine sauberen Spezis einen Jungen verprügelt und gedemütigt habt, der seinen Parka nicht ausziehen wollte? Weißt du das noch? Der Dreckskerl von deinem Freund hat ihm ins Gesicht geschlagen, und du hast zugesehen und genüsslich gegrinst. Gut, dieser Junge war ich, und jetzt werde ich es dir endlich heimzahlen. Ich schlag dir die Zähne ein, und danach verwechselt dich garantiert keiner mehr mit David Bowie.
Aber bevor ich’s dir heimzahle, musst du mir noch sagen, wie das damals mit dem Mord an dem kommunistischen Schüler war. Warst du der Messerstecher? Zumindest hast du der Mörderbande angehört. Und einen habt ihr hingehängt, ein armes Schwein, das sich dann im Gefängnis umgebracht hat. Habe ich Recht oder nicht? Los, sag schon, verdammt noch mal.
Ich merkte, dass ich unter der Tischplatte, die uns trennte, die Fäuste ballte.
Genau in diesem Moment dankte er mir. Für meine Offenheit, meine Korrektheit. Er sagte, wenn es auch nur eine Möglichkeit gäbe, dann würde ich sie finden, dessen sei er sich sicher.
Und dann sagte er noch etwas.
»Sie haben gemerkt, dass ich außer mir war und mich erst wieder beruhigen musste, und Sie haben mich nicht dabei unterbrochen, auch nicht gesagt, Sie müssten gehen. Sie sind wirklich ein anständiger Kerl.«
Während ich das Gefängnis verließ, hatte ich das Gefühl, diese Worte rollten wie metallene Billardkugeln durch meinen Kopf und prallten immer wieder gegen die Wände meines Schädels.
Ich war ein anständiger Kerl.
Aber sicher doch.
11
A m nächsten Tag rief ich Tancredi an und berichtete ihm von dem Gespräch, das ich mit Paolicelli im Gefängnis geführt hatte.
Er hörte schweigend zu, bis ich fertig war.
»Wie ich dir schon sagte, Guido, um das Hotelpersonal zu identifizieren, müssten offizielle Ermittlungen eingeleitet werden. Erst dann könnten wir uns über Interpol offiziell an die Polizei von Podgorica wenden – und uns dann offiziell von ihr verarschen lassen.«
»Ich dachte eigentlich eher an den Mann auf der Fähre. Er war im selben Hotel wie Paolicelli, und auf der Überfahrt nach Italien hat er ihn wiedergesehen.«
»Aha, und was genau schwebt dir vor? Ach so, klar, die Passagierlisten. Wir stöbern mal eben alle männlichen Passagiere der Fähre auf – wenn’s hoch kommt, ein paar Hundert, also ein Klacks -, lichten sie ab und legen ihre Fotos zur Identifikation deinem Mandanten im Gefängnis vor. Hier, schau mal, ist es der? Nein? Ist es vielleicht der, nein, es ist der dort! Bingo. Und schon haben wir einen gemeingefährlichen Touristen identifiziert, dem internationale Sommerfrische in einem besonders schweren Fall zur Last gelegt wird. Womit dein Prozess so gut wie gewonnen wäre.«
»Hör zu, Carmelo. Ich weiß, dass wir mit den Leuten aus dem Hotel und ganz allgemein mit dem, was in Montenegro passiert ist, nicht weit kommen. Aber eins muss ich dir sagen: Je länger ich über diese Geschichte nachdenke, desto mehr habe ich das Gefühl, dass Paolicelli die Wahrheit sagt. Ich weiß, auf Intuition und diesen ganzen Unfug ist meist kein Verlass, aber ich hab nun mal mit ihm geredet, und die Art und Weise, wie er mir seine Story erzählt hat, sein Blick, alles...«
»Ja, ja. Guido Guerrieri – der Mann, dem man nichts vormachen kann.«
Dieser Satz klang schon nicht mehr so überzeugt. Eher wie ein letztes Aufbäumen. Carmelo wusste, dass ich mich von den Geschichten meiner Mandanten nicht so leicht beeindrucken ließ.
»Na gut. Was soll ich tun? Was willst du von mir?«
»Die Passagierlisten, Carmelo. Beschaff sie dir, lass uns die Namen der italienischen Staatsbürger rausziehen – Paolicelli sagt, der Typ war Italiener -, und dann versuchst du mit Hilfe eurer Datenbank herauszufinden, ob einer von ihnen im Zusammenhang mit Drogen schon mal auffällig geworden ist.«
Ich hatte das Gefühl, zu sehen, wie er den Kopf schüttelte. Er sagte, das würde ihn einen ganzen Arbeitstag kosten, dafür müsse er einen Tag Urlaub opfern und das Ganze würde sowieso zu nichts führen, aber am Ende notierte er sich doch den Namen des Schiffs und das Datum der Überfahrt.
»Nach dieser Geschichte stehst du für den Rest deines Lebens in meiner Schuld, Guerrieri.« Sagte es und hängte ein.
Den Nachmittag verbrachte ich damit, eine Verhandlung vorzubereiten, die am nächsten Morgen stattfinden sollte.
Ich vertrat eine Bürgerinitiative als Nebenklägerin, deren Mitglieder in wenigen
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