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Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Titel: Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Hundert Metern Entfernung von einer Müllentsorgungsanlage wohnten. Wenn der Wind aus der falschen Richtung blies – sprich, von der Anlage in Richtung der Ortschaft -, durchwehte er ihre Häuser mit einem Ekel erregenden Gestank.
    Die Vertreter der Initiative waren in meine Kanzlei gekommen, hatten mir die Sache dargelegt und darauf bestanden, dass ich einen kleinen Ausflug in ihren Ort machte, bevor sie mich offiziell als Anwalt engagierten. Ich sollte mich vor Ort von der Natur des Problems überzeugen.
    Als ich das Haus des Vorsitzenden der Bürgerinitiative betrat, nahm ich eine eher schwache, nichtsdestotrotz Übelkeit erregende Duftnote wahr. Einen Geruch, der bei mir den Verdacht weckte, das scheinbar normale Haus könne schreckliche Geheimnisse bergen. Sein Besitzer bat mich in die Küche, wo er mich Platz nehmen ließ, während seine Frau Kaffee kochte.
    Irgendwann hatte ich das Gefühl, sie würden sich vielsagende Blicke zuwerfen. Er, seine Frau und die anderen Mitglieder der Initiative. Von der Art: Jetzt zeigen wir’s ihm mal.
    Du bist bei einer satanischen Sekte gelandet, sagte ich mir. Jetzt tritt gleich einer von hinten auf dich zu und versetzt dir einen Schlag auf den Kopf. Dann schleppen sie dich in eine Garage, in der sie Hexensabbate und schwarze Messen abhalten, und zerstückeln dich mit riesigen Messern aus dem Discountmarkt um die Ecke. Vorher zwingen sie dich vielleicht noch zum rituellen Beischlaf mit der anwesenden Mephisto-Priesterin. Ich betrachtete die Dame des Hauses – ein Meter fünfundfünfzig auf rund achtzig Kilo, freundliches Gesicht, ein Schnurrbart wie ein Pirat – und sagte mir, dass dies der gruseligste Teil der Veranstaltung werden würde.
    Die Signora servierte uns den Kaffee, den wir schweigend zu uns nahmen.
    Danach öffnete sie, immer noch schweigend, das Fenster. Binnen weniger Sekunden war die Luft förmlich zum Schneiden, so stark war der eindringende Gestank. Eine Mischung aus faulen Eiern und Ammoniak, mit einer kräftigen Note von verwesendem Wildbret.
    Der Vorsitzende fragte mich, ob ich ihr Problem verstehen könne. Ich meinte, oh ja, jetzt verstünde ich es viel besser. Wenn sie mich entschuldigen wollten, aber ich müsse jetzt wirklich zusehen, dass ich wegkäme – und das meinte ich wortwörtlich -, aber sie könnten sicher sein, dass ich mich der Sache mit der gebührenden Sorgfalt annehmen würde. Und das war mein Ernst.
    Die wissen, wie man die Leute überzeugt, dachte ich, während ich in meine Kanzlei zurückfuhr. Der eklige Gestank hing noch immer in meinen Kleidern und drückte auf meinen Magen; und ich wusste, dass ich ihn nicht so leicht wieder loswerden würde.

12
    A ls ich mit der Vorbereitung fertig war und nur noch ein paar Kleinigkeiten zu klären blieben, bat ich Maria Teresa, Frau Kawabata anzurufen und zu fragen, ob sie in der Kanzlei vorbeikommen könne, möglichst noch diese Woche, weil ich sie sprechen müsse.
    Der offizielle Grund war, dass ich mir ihre Version von den letzten Urlaubstagen, der Überfahrt mit der Fähre und was noch dazugehörte anhören wollte.
    Maria Teresa steckte wenige Minuten später den Kopf zur Tür meines Büros herein. Sie hatte Frau Kawabata in der Leitung. Wenn es mir recht sei, könne sie auch gleich kommen.
    Ich tat, als überlege ich ein paar Sekunden, und meinte dann, in Ordnung, wir könnten das auch jetzt erledigen.
    Maria Teresa nickte und verschwand, während ich auf der andern Seite ins Bad schlüpfte und versuchte, mit behelfsmäßigen Mitteln die Spuren zu verwischen, die das mehrstündige Brüten über chemischen Gutachten und Protokollen der Umweltschutzpolizei auf meinem Gesicht hinterlassen hatte. Ich wusch mich, bürstete meine Haare, kniff mir einige Male in die Wangen, um ein wenig Farbe zu bekommen, und bespritzte mich nach anfänglichem Zögern mit ein paar Tropfen von dem Parfüm, das ich im Büro aufbewahrte und äußerst selten benutzte. Seit Margheritas Abreise überhaupt nicht mehr.
    Als ich das Bad wieder verließ, überlegte ich mir, dass ich bis auf die Knochen blamiert war, wenn ich mit dem Parfüm übertrieben hatte, wenigstens vor Maria Teresa. Wenn sie ins Zimmer kam und es hier stank wie in einer Vermittlungsagentur für Gigolos, würde sie sofort merken, was los war.
    Ich versuchte weiterzuarbeiten, aber es war zwecklos. Zweimal schlug ich eine Gesetzsammlung zum Umweltschutz auf und wieder zu, und mindestens ebenso oft blätterte ich die Prozessakte durch, bevor ich

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