Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
Möglichkeiten aufzeigen und erklären, was sie mit sich bringen. Danach liegt die Entscheidung bei Ihnen. Also, die erste Möglichkeit wäre, wie gesagt, ein Vergleich. Mit etwas Glück könnten wir das Strafmaß auf zehn Jahre reduzieren, vielleicht auch noch ein bisschen mehr, und das bedeutet...«
»Meine Frau sagte mir, Sie meinten, man könnte Nachforschungen anstellen. Um herauszubekommen, wer das Kokain in meinen Wagen geschmuggelt hat.«
Warum störte es mich, dass er ständig seine Frau zitierte? Warum störte es mich, dass seine Frau den Inhalt unserer Gespräche an ihn weitergab? Diese beiden Fragen stellte ich mir, allerdings ohne die Antwort abzuwarten. Sie war viel zu offenkundig, als dass sie in Worte gefasst werden musste.
»Man könnte es versuchen.«
»Um eventuell einen Freispruch zu erwirken?«
»Um eventuell einen Freispruch zu erwirken, ja. Versprechen Sie sich aber nicht zu viel: Großartige Entdeckungen sind von diesen Nachforschungen nicht zu erwarten. Ich denke, fürs Erste sollten wir uns unterhalten, vielleicht stoßen wir ja dabei schon auf irgendetwas, das uns nützlich sein könnte. Allerdings müssen wir eins im Auge behalten: Selbst wenn es uns gelingen sollte, eine konkrete Vermutung dafür zu finden, wie die Droge in Ihren Wagen gelangt sein könnte, ist unser eigentliches Problem, wie wir das Gericht davon überzeugen. Und das schaffen wir bestimmt nicht mit Vermutungen.«
»Was möchten Sie wissen?«
Ich sagte die Lektion auf, die Tancredi mir beigebracht hatte.
»Haben Sie während Ihres Urlaubs Bekanntschaften gemacht? Irgendjemanden kennengelernt, der besonders nett war, übertrieben nett? Der Fragen stellte, wissen wollte, woher Sie kommen und wann Sie wieder abfahren?«
Er nahm sich Zeit, bevor er antwortete.
»Nein. Ich meine: Wir haben wohl Leute kennengelernt, aber mit niemandem Freundschaft geschlossen. Es waren reine Zufallsbegegnungen ohne weitere Folgen.«
»Niemand hat sich für den Tag Ihrer Abreise interessiert?«
Auch diesmal antwortete er nicht gleich. Er dachte angestrengt nach, um irgendwelche nützlichen Erinnerungen auszugraben, aber es gelang ihm nicht. Am Ende gab er auf und schüttelte den Kopf.
»Egal, macht nichts. Lassen Sie uns über den Parkplatz des Hotels sprechen.«
»Wie gesagt, die Gäste mussten den Autoschlüssel beim Portier abgeben, weil der Parkplatz klein und immer überfüllt war. Die Wagen wurden auch in der zweiten Reihe geparkt, und wir mussten die Schlüssel jedes Mal abgeben, damit niemand eingeparkt wurde.«
»War das auch am Abend vor Ihrer Abreise so?«
»Ich habe den Schlüssel jeden Abend beim Portier abgegeben. Morgens habe ich ihn wieder abgeholt – sofern wir einen Ausflug mit dem Wagen machen wollten. Andernfalls blieb er den ganzen Tag über in der Rezeption.«
»War der Portier immer derselbe?«
»Nein, es waren drei, die sich Tag und Nacht abgewechselt haben.«
»Wissen Sie noch, welcher von ihnen am letzten Abend Dienst hatte?«
Nein, das wusste er nicht mehr. Er sagte, er habe schon öfter darüber nachgedacht, sich aber nie an das Gesicht des Mannes erinnern können, dem er den Autoschlüssel zuletzt gegeben hatte.
Sackgasse. Schweigen.
Ich malte mir in Gedanken aus, wie die Sache sich hätte zutragen können, immer unter der Voraussetzung, dass Paolicelli mich und seine Frau nicht an der Nase herumführte.
Die Täter hatten das Fahrzeug vermutlich bei Nacht mitgenommen und an irgendeinen sicheren Ort gebracht. Das konnte eine Werkstatt gewesen sein, eine Garage oder einfach nur irgendein abgelegener Ort auf dem Land. Dort hatten sie es in aller Ruhe mit Rauschgift beladen und dann zum Parkplatz des Hotels zurückgebracht. Einfach und sicher, so gut wie ohne Risiko.
Allerdings würde uns dieser Erklärungsversuch nicht weit bringen, denn wie könnten wir von Bari aus herausfinden, welcher von den drei Portiers an der Operation beteiligt gewesen war – vorausgesetzt, es war überhaupt einer daran beteiligt gewesen?
Und selbst wenn wir es hätten feststellen können: Was hätte uns das genützt? Konkret ausgedrückt: Was konnte ich tun? Die Sache Interpol übergeben? Sie anrufen und freundlich darum bitten, doch entsprechende internationale Ermittlungen einzuleiten, um einen Mandanten von mir zu entlasten? Nein, ich sagte mir, dass dies alles pure Zeitverschwendung war. Schuldig oder nicht, Paolicelli saß in der Klemme. Das einzig Vernünftige, was ich als Fachmann tun konnte, war, den Schaden
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