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Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Titel: Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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schließlich eine CD in den CD-Player schob. Allerdings drückte ich sofort wieder auf Stop , weil mir erneut in den Sinn kam, Maria Teresa könne Verdacht schöpfen, womöglich glauben, ich hätte die Musik aufgelegt, um eine stimmungsvolle Atmosphäre zu schaffen oder irgendetwas in der Art.
    Am Ende blieb ich brav auf dem äußersten Rand meines Bürostuhls sitzen, die Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt, das Kinn in die Hand gelegt, die Augen zur Tür gerichtet.
    Endlich vernahm ich das Summen der Sprechanlage. Im selben Moment merkte ich, dass mein Schreibtisch unaufgeräumt war, und versuchte, wenigstens einen Teil der Papiere verschwinden zu lassen und ein paar Bücher aufeinanderzustapeln. Dann ertönte auch schon die Türglocke. Ich setzte mich rasch wieder hin, kniff mir noch ein paar Mal ins Gesicht und nahm eine lässige Haltung ein – nennen wir’s mal so.
    Als Maria Teresa den Kopf zur Tür hereinstreckte, um Frau Kawabata anzukündigen – wobei sie, wie mir schien, besonderen Nachdruck auf das Wort Frau legte -, hatte ich mich in eine 2b-Ausgabe des Hauptdarstellers von Mach’s noch einmal, Sam verwandelt. Das Einzige, worauf ich verzichtet hatte, war, ein paar Bücher über theoretische Philosophie im Zimmer zu verteilen, um intellektueller zu wirken.
    Natsu trat ein und hinter ihr ein kleines Mädchen, das sich an ihre linke Hand klammerte. Die Kleine ähnelte ihrer Mutter sehr – dieselben Wangenknochen, derselbe Mund, dieselbe Hautfarbe, die eher an die einer Vietnamesin als einer Japanerin erinnerte. Und mittendrin die blauen Augen des Vaters.
    Ein bildhübsches Kind.
    Ihr Anblick weckte in mir ein Gefühl der Wehmut. Jäh und unbegreiflich.
    »Das ist Anna Midori«, sagte Natsu mit einem leisen Lächeln. Des Gesichts wegen, das ich machte, vermute ich mal. Dann wandte sie sich der Kleinen zu. »Und das ist...« Sie zögerte einen Moment.
    »Guido, ich bin Guido«, sagte ich, während ich meinen Schreibtisch umrundete und dümmlich grinste, was bedeuten sollte: Ich weiß schon, wie man mit diesen süßen, kleinen Teufelchen umgeht.
    Der perfekte Idiot.
    Anna Midori reichte mir mit ernster Miene die Hand und sah mich dabei mit ihren wunderschönen blauen Augen an.
    »Wie alt bist du?«, fragte ich sie, während ich noch immer ihre Hand hielt.
    »Sechs. Und du?«
    Einen Moment lang war ich versucht, mich ein paar Jahre jünger zu machen.
    »Zweiundvierzig.«
    Ein paar Sekunden lang herrschte peinliches Schweigen. Es war Natsu, die als Erste wieder sprach.
    »Meinen Sie, wir könnten Anna fünf Minuten bei Ihrer Sekretärin lassen?«
    Ja, das meinte ich. Ich rief Maria Teresa herein und fragte sie, ob sie die niedliche Kleine ein Weilchen zu sich nehmen könne.
    Die niedliche Kleine. Wie, zum Teufel, redete ich eigentlich? Ich wollte die beiden miteinander bekannt machen, aber Maria Teresa unterbrach mich.
    »Nicht nötig, wir kennen uns schon. Wir haben uns gerade einander vorgestellt, stimmt’s, Anna? Anna Midori.«
    »Ja. Und wir haben die gleichen Augen.«
    Das stimmte. Maria Teresa war nicht besonders hübsch, aber sie hatte eindrucksvolle Augen. Blau, wie die Augen von Anna Midori. Und die von Fabio Paolicelli.
    »Lass uns nach drüben gehen, Anna. Ich zeig dir ein Spiel auf meinem Computer.«
    Das Mädchen sah seine Mutter an, die mit dem Kopf nickte. Daraufhin ließ es sich von Maria Teresa an der Hand nehmen und ging brav mit ihr aus dem Zimmer.
    »Sie sind wirklich zweiundvierzig?«
    »Ja. Warum?«
    »Sie... Sie sehen jünger aus.«
    Ich widerstand der Versuchung, zu fragen, für wie jung sie mich denn hielt, und bat sie, Platz zu nehmen. Dann umrundete ich erneut meinen Schreibtisch und kehrte auf meinen Platz zurück.
    »Die Kleine... ist wunderhübsch. Ich habe noch nie ein so hübsches Mädchen gesehen.«
    Natsu lächelte.
    »Haben Sie Kinder?«
    Mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet.
    »Nein.«
    »Dann sind Sie also nicht verheiratet?«
    »Na ja, das ist eine längere Geschichte...«
    »Verzeihen Sie, bitte, verzeihen Sie. Ich stelle immer viel zu viele Fragen. Diese Unart hatte ich schon immer.«
    Nicht doch, mach dir nichts draus, ist doch egal. Wenn du willst, erzähl ich sie dir gerne, meine Geschichte. Und hör mir deine an. Eigentlich würde ich die Zeit viel lieber damit verbringen, als über Arbeit zu reden. Sprich, über deinen Mann .
    Oh nein, was brockte ich mir da bloß ein, verdammt noch mal?
    Ich schüttelte höflich den Kopf. Kein Problem, wirklich

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