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Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Titel: Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Wirklichkeit hatte Paolicelli bereits alles ausgesagt, was ich wollte. Ob es ihm nützen würde, war eine andere Frage. Jedenfalls konnte ich jetzt zum Schlussakt schreiten, wie es so schön heißt. Ich ließ Paolicelli von Macrìs letztem Besuch im Gefängnis berichten und von dem Streit, zu dem es dabei gekommen war. Ich hatte ihm eingeschärft, bei der Schilderung möglichst neutral zu bleiben und auf keinen Fall Macrìs Drohungen zu erwähnen. Damit wollte ich vermeiden, dass das Gericht die Anhörung Macrìs mit der – korrekten und für uns absolut tödlichen – Begründung ablehnte, man könne nicht jemanden als Zeugen vorladen, um ihn möglicherweise sich selbst belastende Aussagen machen zu lassen.
    Paolicelli machte seine Sache gut. Er berichtete die Dinge auf angemessene Art und Weise und vermittelte erneut den Eindruck, an Macrìs Verhalten sei etwas faul, ohne jedoch zu übertreiben oder ihn explizit anzuklagen. Als er mit seinem Bericht fertig war, sagte ich mir, dass wir bis zu diesem Augenblick unser Bestes gegeben und unser Mögliches getan hatten. Der schwierigste Teil aber stand noch bevor.
    Paolicelli wurde in den Käfig zurückgeführt, und der Vorsitzende wandte sich, nachdem er ostentativ auf seine Uhr geblickt hatte, an mich.
    »Wir haben noch nicht über den Antrag auf Zeugenanhörung entschieden, den der Verteidiger während der ersten Sitzung gestellt hat. Bestehen Sie nach wie vor auf diesem Antrag, Herr Guerrieri?«
    Ich erhob mich, zupfte mir wie gewohnt die Robe auf der Schulter zurecht – fast schon ein Tick – und sagte, ja, ich müsse darauf bestehen. Unserer Ansicht nach sei diese Anhörung unerlässlich, und nach allem, was wir soeben gehört hätten, würde das bestimmt niemand bestreiten.
    Sehr kurz äußerte ich mich zu den Einsprüchen des Staatsanwalts aus der vorigen Sitzung, hinsichtlich der Zulässigkeit dieser Zeugenanhörung, und versuchte zu erklären, warum diese Einsprüche unberechtigt seien. Dann zog sich das Gericht zur Entscheidungsfindung zurück.

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    D er Vorsitzende hatte gesagt, sie würden maximal zwanzig Minuten im Beratungszimmer bleiben. Stattdessen kamen sie nach gut anderthalb Stunden wieder heraus, als ich mich – wie schon des Öfteren in solchen Fällen – fragte, ob sie es einfach nicht schafften, ihre Arbeit einzuschätzen, oder ob sie absichtlich zu spät kamen. Eine hinterhältige und teilweise unbewusste Demonstration von Macht.
    Mirenghi ließ sich nieder, prüfte, ob der Protokollführer an seinem Platz war, warf einen Blick auf mich und auf den Tintenfisch, nur um sicherzugehen, dass auch wir anwesend waren, setzte seine Brille auf und verlas den Beschluss.
    »Die Rüge des Zeugen, die teilweise Wiederaufnahme der Beweisaufnahme sei unzulässig, wird zurückgewiesen. Diese Entscheidung ergeht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft. Aus formaler Sicht spricht nichts dagegen, den vormaligen Verteidiger des Angeklagten Paolicelli als Zeugen anzuhören. Unter Berücksichtigung der vom Staatsanwalt vorgebrachten Einwände sowie der diesbezüglichen Anmerkungen des Verteidigers kann außerdem Folgendes festgestellt werden:
    1) Die Zulässigkeit der Zeugenvernehmung richtet sich nach dem Umfang des Beweisantrags. Nach dem Antrag soll der Zeuge gehört werden zu Umständen, welche ihm innerhalb seines Mandats bekannt wurden. Zu seinem Verhalten außerhalb der Mandatsführung soll der Zeuge nicht vernommen werden.
    2) Eine Inkompatibilität nach § 197 der Strafprozessordnung liegt nicht vor: Herr Macrì hat im Rahmen seines Verteidigermandats in der Tat keine Ermittlungen durchgeführt, und auch die anderen tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift sind nicht erfüllt.
    3) Der Zeuge kann sich im Laufe der Vernehmung auf seine anwaltliche Schweigepflicht berufen. Dieser Umstand macht den Antrag auf Vernehmung aber nicht unzulässig.
    Der Zeugenanhörung von Anwalt Macrì steht somit nichts im Wege.«
    Der Vorsitzende schloss die Verlesung des Beschlusses mit dem Datum der Vertagung und den übrigen Formalien ab und erklärte die Sitzung daraufhin für beendet.
    Während das Gericht sich erhob, um den Saal zu verlassen, näherte ich mich dem Angeklagtenkäfig; dabei spürte ich Natsus Blick im Rücken. Ich sagte zu Paolicelli, die Sache sei gut gelaufen, wir könnten zufrieden sein. Ich sagte ihm nicht, was ich kurz zuvor, nach Beendigung seiner Vernehmung, gedacht hatte: Der schwierigste Teil stand uns noch bevor.

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    D er Anruf kam

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