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Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Titel: Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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ein wenig erläutern. Was genau tat denn der Angeklagte? Versteckte er sich hinter Autos, war er mit einem Fernglas zu Gange oder was?«
    Der Dicke beendete seine Frage mit einem süffisanten Lächeln. Ich bin mir sicher, dass es ihn Überwindung kostete, keine einvernehmlichen Blicke mit seinem Mandanten zu wechseln, der neben ihm saß.
    Tancredi sah ihn einen Moment lang an. Er schien zu zögern, nach Worten zu suchen. In Wahrheit wusste ich, dass er nur schauspielerte und dass sein scheinbar harmloses Gesicht das einer Katze war, die zum Sprung auf die Maus ansetzt. Eine ganz besonders fette Maus, das sei hinzugefügt.
    »Ja, also, der Angeklagte – damals war er noch ein Verdächtiger – erschien für gewöhnlich gegen zwanzig nach zwölf vor der Schule und postierte sich an der gegenüberliegenden Straßenecke. Ein paar Minuten später kamen die Kinder heraus, und er beobachtete sie dabei. Er blieb stehen, bis das letzte Kind gegangen war.«
    »Immer auf dem gegenüberliegenden Gehweg?«
    »Ja, das sagte ich bereits.«
    »Und er hat nie die Straße überquert, irgendein Kind angesprochen?«
    »Nicht in der Woche, in der wir ihn observiert haben. Später kamen neue Verdachtsmomente hinzu, und...«
    »Verzeihung, aber im Augenblick interessiert uns, was Sie in dieser einen Woche gesehen und nicht gesehen haben. Gibt es in der Nähe der Schule eine Bar?«
    »Ja, das Stella di Mare. «
    »Hat mein Mandant, während Sie ihn observierten, je diese Bar betreten?«
    »Ja, das hat er. Zweimal, so weit ich mich entsinne, wobei ich hinzusetzen möchte, dass ich nicht bei allen Observierungen dabei war. Er hat sich ein paar Minuten in der Bar aufgehalten und sie verlassen, als die Kinder aus der Schule kamen.«
    »Wissen Sie eigentlich, dass mein Mandant Vertreter für Lebensmittel und Gastronomiebedarf ist, Herr Inspektor?«
    »Ja.«
    »Wissen Sie, ob der Betreiber des Stella di Mare ein Kunde des Angeklagten ist?«
    »Nein.«
    »Können Sie ausschließen, dass mein Mandant beruflich unterwegs war, als Sie ihn in der Nähe dieser Schule und dieser Bar sahen, sprich, dass der wahre Grund, weshalb er sich in dieser Gegend aufhielt, ein ganz anderer war als der, den Sie, Herr Inspektor, ihm in Ihrem Bericht und jetzt mit Ihrer Aussage unterstellen?«
    Das war der Todesstoß, musste er sich denken.
    »Ja«, erwiderte Tancredi schlicht.
    Der Dicke war wie vor den Kopf gestoßen und schien kurz davor umzukippen.
    »Ja, was?«
    »Ja, das kann ich ausschließen.«
    »Ach, ja? Und wie kommen Sie dazu?«
    »Schauen Sie, Herr Verteidiger, wir haben Armenise mehrere Tage lang beschattet. Auch während seiner Arbeitszeit. Wenn er als Vertreter unterwegs war und Bars und Restaurants besuchte, hatte er immer eine Ledertasche und einen Musterkatalog mit losen Blättern dabei; Sie wissen schon, diese Faltblätter, auf denen die Produkte abgebildet und beschrieben sind. Wenn wir ihn vor der Schule observierten, hatte er weder die Tasche noch den Musterkatalog bei sich.«
    »Verzeihung, aber waren Sie oder einer Ihrer Kollegen denn anwesend, als Herr Armenise die Bar Stella di Mare betrat? Ich meine, konnten Sie hören, worüber er sich mit dem Pächter unterhielt?«
    »Nein, unser Beobachtungsposten war auf der anderen Straßenseite.«
    »Sprich, was Sie uns hier auftischen, sind nichts als haltlose Vermutungen...«
    Der Staatsanwalt fiel ihm ins Wort.
    »Einspruch, Hohes Gericht. Der Verteidiger darf keine Äußerungen machen, die den Zeugen beleidigen.«
    Der Fettwanst wollte schon widersprechen, aber der Richter kam ihm zuvor.
    »Herr Verteidiger, ich muss Sie bitten, sich jeglichen Kommentars zu enthalten. Für den Moment haben Sie ausschließlich Fragen zu stellen. Ihre Ausführungen können Sie hinterher im Schlussplädoyer machen.«
    »Verstanden, Herr Vorsitzender. Es ist aber doch richtig, Herr Inspektor, wenn ich behaupte, dass Sie während der Woche, in der Sie Herrn Armenise observierten, keinerlei Indizien für die gegen ihn erhobenen Anschuldigungen gefunden haben?«
    »Nein, ich würde sagen, das ist nicht richtig. Wenn Eltern jemanden beschuldigen, ihre Kinder belästigt zu haben, und zwar in unmittelbarer Nähe von deren Grundschule, und ich finde heraus, dass dieser Jemand die Angewohnheit besitzt, sich immer genau bei Schulschluss vor eine andere Grundschule zu postieren, dann ist das für mich sehr wohl ein Indiz. Sollte es im Lauf unserer Ermittlungen dazu kommen, und es kommt bisweilen dazu, dass wir einen

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