Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre
Recht ja eingeführt wurde, erklärt, dass er seinen Verteidiger – oder ehemaligen Verteidiger – von der Schweigepflicht entbindet. In unserem Fall entbindet Herr Paolicelli, wie er Ihnen gleich persönlich bestätigen wird, seinen ehemaligen Anwalt, Herrn Macrì, von genannter Verpflichtung. Ich bitte Sie deshalb, dem Zeugen zu erklären, dass hier kein Recht auf Zeugnisverweigerung besteht und er verpflichtet ist, Rede und Antwort zu stehen.«
Macrì versuchte etwas zu erwidern.
»Herr Vorsitzender, darf ich ein paar Anmerkungen zu dem machen, was Herr Guerrieri da gerade von sich gegeben hat?«
»Nein, Herr Macrì. Sie sind als Zeuge hier, und Zeugen steht es nicht zu, sich zu Anträgen oder Ausführungen der streitenden Parteien zu äußern. Herr Paolicelli, bestätigen Sie, was Herr Guerrieri gesagt hat, sprich, entbinden Sie Ihren ehemaligen Verteidiger Macrì von seiner Schweigepflicht im Hinblick auf die Gespräche, die Sie mit ihm geführt haben?«
Paolicelli bestätigte. Der Vorsitzende fragte den Generalstaatsanwalt, ob er Einwände habe. Der überließ die Sache dem Gericht. Der Vorsitzende bat Macrì, sich in den Zeugenraum zu begeben. Dann stand das Gericht auf und zog sich ins Beratungszimmer zurück.
Auch ich stand auf, und als ich mich umwandte, sah ich, dass im Publikum, nur wenige Stühle voneinander entfernt, Carmelo Tancredi und Natsu saßen.
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N atsu erhob sich, ich ging zu ihr und schüttelte ihr die Hand, um ein wenig Theater zu spielen. Ich hatte das Gefühl, die Augen der ganzen Welt seien auf mich gerichtet, insbesondere die von Paolicelli. So hielt ich ihre Hand nur sehr kurz und vermied es, ihr ins Gesicht zu blicken.
Dann bat ich sie um Entschuldigung, sagte, ich müsse mit jemandem sprechen, und ging zu Tancredi hinüber, wobei mir auffiel, dass der-Typ-der-wusste-wie-man-sich-benimmt verschwunden war. Ein Umstand, der mich einerseits erleichterte, auf eine andere Art jedoch beunruhigte.
»Was führt dich denn hierher?«, fragte ich Tancredi.
»Ich hatte bei der Staatsanwaltschaft zu tun und war früher fertig als erwartet. Und wo du mich schon in diese Geschichte hineingezogen hast, dachte ich, ich komme auf einen Sprung vorbei und schaue, was sich hier tut. Wie wird das Gericht entscheiden? Meinst du, sie zwingen ihn zu antworten?«
»Ich weiß es nicht. Und ich weiß, ehrlich gesagt, auch nicht, was besser für uns wäre.«
»Inwiefern?«
»Wenn das Gericht ihn zwingt zu antworten und er belügt uns, ohne sich in Widersprüche zu verstricken, steht sein Wort gegen das Paolicellis.«
»Und wenn sie das Berufsgeheimnis gelten lassen?«
»Dann kann ich im Schlussplädoyer immer noch ausspielen, dass er die Aussage verweigert hat. Haben Sie gesehen, Hohes Gericht, der Zeuge Macrì hat sich geweigert, uns von den Gesprächen mit seinem ehemaligen Mandanten zu berichten. Er hat sich auf das Berufsgeheimnis berufen. Formal ist Ihrem Beschluss nach alles in Ordnung. Wir müssen uns aber doch fragen: Warum? Warum wollte er sich nicht über den Inhalt dieser Gespräche äußern, obwohl sein Mandant ihn doch ausdrücklich darum gebeten hat? Weil es Informationen gibt, deren Enthüllung er verhindern will.«
Als ich mit meinen technischen Ausführungen fertig war, fiel mir ein, dass ich vielleicht gut daran getan hätte, Tancredi von Macrìs Handlanger zu erzählen.
»Herr Macrì ist übrigens nicht alleine gekommen.«
Tancredi drehte langsam den Kopf nach allen Seiten, um den Gerichtssaal zu inspizieren. Macrìs Spießgeselle war aber nicht im Raum, und so fasste ich zusammen, was sich vor der Sitzung zugetragen hatte.
»Ich gebe sofort einem von meinen Leuten Bescheid. Nach der Vernehmung heften wir uns deinem netten Kollegen und seinem Freund an die Fersen. Wenn sie im Wagen wegfahren, lassen wir sie auf der Autobahn von der Verkehrspolizei stoppen. Es wird nach einer Zufallskontrolle aussehen, so schöpfen sie keinen Verdacht. Und genauso werden die Beamten vom Grenzschutz verfahren, falls die beiden nach Hause fliegen sollten. Wir nehmen diesen Herrn einfach ein wenig unter die Lupe, dann wissen wir, ob er Macrì nur in der Gegend herumkutschiert oder noch ganz andere Obliegenheiten hat.«
Jetzt fühlte ich mich wirklich ein wenig wohler. Vielleicht auch ein wenig sicherer. Aber Tancredi war noch nicht am Ende mit seinen Ausführungen.
»Du kannst also beruhigt sein: Wenn dich jemand verschwinden lässt, kommt er nicht ungestraft davon. Diese beiden Gesellen sind
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