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Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Titel: Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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verantwortlich war. Ich beschloss, mich kürzer zu fassen.
    »Herr Macrì, Sie sagten soeben, wenn ich das richtig verstanden habe, Sie hätten Ihren Anwaltsberuf nicht immer in Rom ausgeübt, habe ich Recht?« Ich merkte, dass ich ständig »habe ich Recht?« am Ende meiner Fragen sagte, genau wie Macrì vorher, als wir im Flur miteinander gesprochen hatten.
    »Ich weiß genau, worauf Sie hinauswollen.«
    »Freut mich. Dann könnte ich mir die Mühe des Fragens ja fast ersparen. Würden Sie uns also bitte erzählen, wo Sie tätig waren, bevor Sie nach Rom umgezogen sind, und aus welchem Grund Sie umgezogen sind – und ob es dafür einen besonderen Anlass gab?«
    »Ich war vorher in Reggio Calabria tätig und bin aus rein persönlichen Gründen umgezogen – sehr private Gründe, damit wir uns recht verstehen.«
    »Ach so. War denn etwas passiert, was...«
    »Es war ein Strafverfahren gegen mich eingeleitet worden, das mit einem uneingeschränkten Freispruch endete. Aber das hat nicht das Geringste mit meinem Umzug nach Rom zu tun.«
    An diesem Punkt glaubte ich aus den Augenwinkeln wahrzunehmen, dass sogar Porcelli anfing, ein wenig wach zu werden und ein elementares Interesse an dem zu zeigen, was sich hier abspielte.
    »Hat es eine Einschränkung Ihrer persönlichen Freiheit gegeben?«
    »Ja.«
    »In welcher Form? Hausarrest, Gefängnisaufenthalt oder was?«
    »Ich wurde festgenommen und später, wie ich Ihnen bereits sagte – aber ich vermute, das wissen Sie alles schon -, von sämtlichen Anklagepunkten freigesprochen. Wegen erwiesener Unschuld, wie gesagt.«
    »Können Sie uns sagen, wie die Anklage lautete?«
    »Die Anklage lautete auf Beteiligung an einer zur Mafia gehörenden Bande und Handel mit Betäubungsmitteln. Und wegen dieser falschen Anschuldigungen, wegen dieser ganzen schlimmen Geschichte habe ich vom Staat sogar eine Haftentschädigung erhalten. Nur zu Ihrer Information.«
    Ich wollte ihn schon fragen, welche Umstände denn im Einzelnen zu seiner Verhaftung geführt hätten und aufgrund welcher er hinterher freigesprochen worden sei, aber ich sagte mir, dass der Vorsitzende mich so weit nicht hätte gehen lassen und dass ich Gefahr lief, alles zu ruinieren. Nein, es war an der Zeit, zum Punkt zu kommen.
    »Haben Sie je zu Herrn Paolicelli gesagt, Sie wüssten , dass er unschuldig sei?«
    »Schon möglich. Wir sagen viel zu unseren Mandanten, vor allem zu denen, die besonders viel jammern, die die Haft nicht ertragen. Paolicelli war einer von ihnen. Ständig am Jammern, daran erinnere ich mich noch gut.«
    »Erzählen Sie uns doch bitte noch ein wenig mehr über den Inhalt Ihrer Gespräche mit Herrn Paolicelli. Zunächst würde mich aber interessieren, wie oft Sie ihn im Gefängnis besucht haben.«
    »Ich weiß nicht mehr genau, wie oft wir uns gesehen haben – fünf, sechs, sieben Mal, vielleicht. Aber eins sage ich Ihnen gleich: Ich habe viel zu viel Respekt vor der Würde unseres Berufes, als dass ich einfach so offenlegen würde, worüber ich mit einem Mandanten gesprochen habe, und zwar unabhängig von der Bedeutung dieser Gespräche. Was diese Frage betrifft, berufe ich mich auf mein Recht zur Aussageverweigerung aus beruflichen Gründen.«
    Mirenghi wandte den Kopf und warf mir einen fragenden Blick zu.
    »Herr Vorsitzender, ich denke, das Aussageverweigerungsrecht, das unser Gesetz dem Verteidiger einräumt, dient der freien Ausübung des Anwaltsberufes und das heißt letzten Endes dem Schutz des Mandanten. Mit Sicherheit handelt es sich nicht um ein persönliches Privileg einzelner Rechtsanwälte. Lassen Sie mich das kurz erläutern. Das Gesetz sieht vor, dass ein Verteidiger sich vor Gericht darüber ausschweigen darf, was sein Mandant ihm anvertraut hat. Damit soll dem Mandanten garantiert werden, dass er sich seinem Verteidiger anvertrauen kann, ohne befürchten zu müssen, dass dieser hinterher gezwungen sein könnte, den Inhalt dieser Gespräche vor Gericht preiszugeben. Darum geht es bei dieser Maßnahme. Kurz, es ist ein Mittel, um den Mandanten und dessen Verhältnis zu seinem Verteidiger zu schützen – und gewiss kein Freibrief für Rechtsanwälte.«
    Alle drei hörten mir jetzt zu. Russo sah mich an, und sein Gesicht hatte einen – wie soll ich sagen – anderen Ausdruck angenommen.
    »Wenn diese Auslegung korrekt ist, und das ist sie meiner Ansicht nach, greift das Aussageverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen immer dann nicht, wenn der Mandant, zu dessen Schutz dieses

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