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Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre

Titel: Guido Guerrieri 03 - Das Gesetz der Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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nichts an.
    »Herr Verteidiger, sind Sie zugegen?«, fragte der Richter mit leicht erhobener Stimme. Nur um höflich klarzustellen, dass dies ein Gerichtssaal war und kein Tempel für Zen-Meditation.
    »Ja, Herr Vorsitzender, ich bitte um Entschuldigung. Ich war gerade dabei, mich etwas zu sammeln und...«
    »Schon gut, schon gut. Sind Sie bereit, mit der Vernehmung des Zeugen zu beginnen, der auf Ihren Antrag vorgeladen wurde?«
    »Ja, Herr Vorsitzender.«
    »Streng genommen müsste er ja zuerst vom Gericht vernommen werden, so schreibt es § 603, Absatz 3 der Strafprozessordnung vor, auf Grund dessen die Anhörung verfügt wurde. Aber ich denke, wir können auf diesen formalen Schritt verzichten und ausnahmsweise Sie beginnen lassen – schließlich sind Sie derjenige, der konkrete Fragen an ihn hat. Vorausgesetzt natürlich, die beteiligten Parteien haben nichts dagegen.«
    Die beteiligten Parteien hatten nichts dagegen. Das heißt, ich hatte nichts dagegen und der Staatsanwalt weilte ganz woanders. Seit mindestens zehn Jahren.
    Also bat der Vorsitzende den Protokollführer, den Zeugen Macrì, Corrado aufzurufen.
    Macrì kam, den Trenchcoat überm Arm, herein, grüßte wohlerzogen das Gericht, setzte sich und verlas mit ruhiger Stimme die Eidesformel. Er wirkte selbstsicher und gelassen.
    »Sie sind Rechtsanwalt, deshalb muss ich Ihnen nicht viel erklären«, sagte der Vorsitzende zu ihm. »Der Verteidiger des Angeklagten hat Ihre Vernehmung zur Klärung einiger Umstände beantragt und wird Sie jetzt gleich befragen. Wann immer Sie jedoch der Meinung sind, in Ihrer Eigenschaft als früherer Verteidiger des Angeklagten bei bestimmten Fragen die Aussage verweigern zu müssen, so tun Sie das, und wir werden von Fall zu Fall entscheiden. In Ordnung?«
    »Ja, Herr Vorsitzender, danke.«
    Mirenghi wandte sich mir zu und meinte, ich könne beginnen. Macrì blickte starr vor sich hin.
    Ich sah ihn ein paar Sekunden lang an, bevor ich mich entschloss, die Sache in Angriff zu nehmen.
    »Herr Macrì, Sie waren in erster Instanz des Prozesses, der heute vor dem Berufungsgericht stattfindet, der Verteidiger von Herrn Paolicelli. Ist das richtig?« Eine völlig unsinnige Frage, denn das stand ja bereits in den Prozessakten. Aber irgendwie musste ich beginnen. Macrì kommentierte die Sache nicht und gab auch keine sarkastische Antwort.
    Er sagte ganz einfach: »Ja.«
    »Wann haben Sie Herrn Paolicelli kennengelernt?«
    »Als ich ihn das erste Mal im Gefängnis besuchte.«
    »Wissen Sie noch, wann das war?«
    »An das genaue Datum erinnere ich mich nicht, aber er war zwei Tage zuvor inhaftiert worden und sah der ersten richterlichen Vernehmung entgegen. Anhand dieses Umstands sollte es nicht schwierig sein, das Datum zu rekonstruieren. Vorausgesetzt, das hat irgendeine Relevanz.«
    Seine Stimme hatte jetzt einen kaum wahrnehmbaren, aggressiven Unterton, aber ich ignorierte den Provokationsversuch. Macrì starrte weiter vor sich hin.
    »War es Herr Paolicelli, der Sie mit seiner Verteidigung beauftragte?«
    »Nein, das war die Frau von Herrn Paolicelli.«
    »Kennen Sie die Frau von Herrn Paolicelli?«
    »Ich habe sie während meines zweiten Aufenthalts in Bari kennengelernt, als ich den Angeklagten vor dem Haftgericht verteidigte. Auch das steht in den Akten.«
    »Wissen Sie, weshalb Frau Paolicelli ausgerechnet Sie mit dieser Sache betraut hat?«
    »Sollten Sie diese Frage nicht besser Frau Paolicelli stellen?«
    »Im Moment stelle ich sie Ihnen. Wissen Sie, weshalb...«
    »Ich könnte mir vorstellen, dass sie meinen Namen von irgendeinem Bekannten bekommen hat. Sie sind selbst Rechtsanwalt, Sie wissen doch, wie das normalerweise funktioniert.«
    »Mal sehen, ob ich Sie richtig verstanden habe. Sie werden also von einer Person ernannt, die Sie nicht kennen, aus einer Stadt, die gut vierhundert Kilometer von Ihrem Wohnort entfernt liegt... Apropos, Sie sind in Rom tätig, habe ich Recht?«
    »Ja.«
    »Waren Sie das schon immer?«
    Ich sah ihn unverwandt an, deshalb konnte ich sehen, wie er die Kinnladen aufeinanderpresste, während ich meine Frage stellte. Er wusste, dass ich in Kürze seine Probleme mit der Justiz ansprechen würde. So einfach kommst du mir nicht davon, Freundchen. Ich werde dich noch eine ganze Weile auf diesem Rost schmoren lassen, du verdammter Hurensohn, dachte ich, und Hurensohn sagte ich in Gedanken ganz laut.
    »Nein.«
    »Gut. Fassen wir zusammen: Sie werden von einer Unbekannten, die in Bari lebt, also

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