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Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Titel: Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Womöglich werden diese ihm unwichtig erscheinen, und er wird dazu tendieren, sie für sich zu behalten. Aber das darf er nicht. Unter diesen auf den ersten Blick nebensächlichen Details kann sich der Schlüssel verbergen, mit dem man den ganzen Fall löst.«
    »Was bedeutet das also?«
    »Also muss man dem Zeugen sagen, dass er uns anrufen muss, falls ihm noch etwas einfällt – was auch immer es sein mag. Das hat den Zweck, dass man einerseits keine Informationen verliert, aber auch das Verantwortungsgefühl des Zeugen weckt. Wenn er sich verantwortlich fühlt, wird er geistig wach bleiben, was wiederum die Voraussetzung für die Entdeckung weiterer Details ist.«
    »Mit Ihren Interessen und diesem Wissen sollten Sie sich vielleicht eher bei Psychologie einschreiben als bei Literatur.«
    »Das hatte ich mir auch überlegt. Aber wie gesagt, im einen Augenblick habe ich Lust, mich an der Uni einzuschreiben, und einen Moment später denke ich, dass es Unsinn ist, mit vierunddreißig, ohne die Aussicht, diesen Abschluss irgendwie beruflich nutzen zu können. Und auf diesen Gedanken folgen dann gewöhnlich andere, die alle nicht besonders erbaulich sind.«
    Nachdem er noch eine Weile mit versonnener und ein wenig geistesabwesender Miene dagesessen war, sagte er dann, er müsse zurück in die Polizeikaserne.
    »Meinen Sie, dass das Mädchen noch lebt?«
    Er zögerte ein wenig, bevor er antwortete. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Nein, das glaube ich nicht. Ich habe keine Ahnung, was passiert ist, aber ich glaube nicht, dass sie noch lebt.«
    Das war genau das, was ich auch dachte, was ich von Anfang an gedacht hatte. Trotzdem fand ich es schrecklich, es von ihm zu hören. Seinem Gesichtsausdruck entnahm ich, dass er das gemerkt hatte und es ihm leidtat, auch wenn er es nicht ändern konnte.
    »Melden Sie sich ruhig, wenn Sie noch etwas brauchen. Und natürlich auch, wenn Sie etwas finden.«
    Wie sollte es anders sein? Ich löse das Rätsel, übergebe euch großzügig den Schuldigen und ziehe mich wieder in den Schatten zurück. Wie wir einsamen Helden es eben tun.
    »Ich würde gern irgendwann mal beim Start eines Ihrer Flugzeuge dabei sein.«
    Er lächelte.
    »Irgendwann lade ich Sie mal dazu ein.«

11
    A m Nachmittag rief ich Tancredi an. Es brauchte drei oder vier Versuche, bevor ich ihn erreichte, und dem Tuten nach musste er sich im Ausland befinden.
    »Guido, du lebst also noch.«
    »Na ja, was man so leben nennt. Und wie geht es dir? Bist du etwa im Ausland?«
    »Du merkst auch alles! Mir geht es gut, ich bin in Virginia.«
    »Virginia? In den Vereinigten Staaten etwa?«
    »Kennst du noch andere Virginias?«
    »Dann zahlst du ja mit für den Anruf. Entschuldige bitte, ich lege gleich auf. Ich wollte nur fragen … wie spät ist es dort?«
    »Elf Uhr, Kaffeepause. Mach dir keine Sorgen, ein paar Roamingminuten kann ich mir schon noch leisten. Außerdem ruft mich nie jemand aus Italien an, und du bist besser als gar keiner.«
    »Was tust du in Virginia?«
    »Ich bin an der FBI-Akademie und nehme an einem Kurs für ausländische Polizisten teil. Es geht um Vernehmungstechniken und criminal profiling .«
    »Was?«
    »Techniken, um kriminelle Profile und Taktiken für die Vernehmung von Zeugen und mutmaßlichen Tätern zu erarbeiten.«
    »Bringen sie sie dir bei oder du ihnen?«
    »Sie sind die Lehrer. Das ist wirklich eine andere Welt. Für einen Anwalt wie dich wäre das sehr interessant. Warum hast du angerufen?«
    »Ich wollte dich etwas fragen, aber es ist nicht so dringend.«
    »Sag es doch.«
    »Nein, wirklich, nichts, worüber man bei einem interkontinentalen Telefonat sprechen müsste. Wann kommst du denn zurück?«
    »In drei Wochen.«
    »Wenn du wieder hier bist, kannst du dich ja melden. Dann sehen wir uns und unterhalten uns ein bisschen.«
    »Bist du sicher, dass du es mir nicht gleich sagen willst?«
    »Ganz sicher. Danke, Carmelo, amüsier dich, wir sehen uns, wenn du wieder da bist.«
    »Na gut. Ich amüsiere mich schrecklich. Du solltest die anderen Kursteilnehmer sehen! Der netteste ist ein türkischer Christ. Seit er weiß, dass ich aus Bari komme – und du weißt, dass ich gar nicht aus Bari stamme –, wiederholt er ständig, dass wir die Knochen des heiligen Nikolaus aus Smyrna gestohlen haben und sie zurückgeben sollen. Außerdem gibt es hier keinen einzigen Ort, wirklich keinen einzigen, außer irgendwo neben der Müllhalde, wo man in Ruhe eine Zigarre rauchen könnte. So, genug

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