Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde
Caterina. Gehen wir mal davon aus, dass wir alle im Dunkeln tappen in dieser Geschichte. Wir müssen uns vorantasten, denn irgendetwas ist in diesem Dunkel, aber wir können nicht von vornherein sagen, was wichtig ist und was nicht. Deshalb bitte ich dich, diese letzte Frage, die ich dir stelle, zu beantworten.«
Ich ließ ein paar Sekunden verstreichen. Sie sah mich misstrauisch an und sagte nichts.
»Ich muss es auch deshalb wissen, weil Michele sich weigert, mit mir zu sprechen. Was nicht automatisch bedeutet, dass er etwas mit Manuelas Verschwinden zu tun hat, aber ein wenig Klarheit erscheint mir unabdinglich.«
»Michele weigert sich, mit Ihnen zu sprechen?«
»Ja. Manuelas Mutter hatte ihn angerufen wie dich auch. Im ersten Moment hat er gesagt, dass er kommen würde, und also haben wir ausgemacht, dass er gleich nach dir kommen sollte. Doch dann hat mich sein Anwalt angerufen und mir mitgeteilt, dass Michele sein Mandant sei, dass er nicht zu mir käme, um sich mit mir zu unterhalten und dass er mich bei der Anwaltskammer anzeigen würde, falls ich ihn noch einmal kontaktierte. Wundert dich das?«
»Ja. Das heißt, eigentlich nicht.«
»Wahrscheinlich hat er etwas zu verbergen. Und ich muss wissen, was das ist, und sei es nur, um auszuschließen, dass es etwas mit Manuelas Verschwinden zu tun hat. Deshalb brauche ich alle erdenklichen Informationen.«
»Bleibt das, was ich sage, unter uns?«
»Aber sicher. Mein Ehrenwort.«
»Manuela hat manchmal Kokain genommen.«
Bevor ich weitersprach, ließ ich die Frage, die im Raum gehangen hatte, zwischen uns niedersinken.
»Mit Michele?«
»Ja. Wegen ihm hat sie überhaupt mit dem Kokainschnupfen angefangen.«
»Nahm sie es oft oder nur gelegentlich? Viel, wenig? Hat sie es auch noch genommen, nachdem sie sich von ihm getrennt hatte?«
»Wie oft sie es nahm, weiß ich nicht. Und ich weiß auch nicht, ob sie es auch noch nach dem Ende ihrer Beziehung nahm.«
Ich sah zu ihr auf. Mein Gesicht drückte aus, dass ich ihr diese Antwort nicht abnahm. Dass sie so etwas über ihre engste Freundin nicht wusste.
»Gut, vielleicht hat sie es noch ein paar Mal genommen, auch danach noch. Aber ich war damit nicht einverstanden und deshalb sprachen wir nicht darüber.«
Sie dachte noch ein paar Sekunden nach und sprach dann weiter. »Ich war – ich bin dagegen. Das habe ich ihr ein paar Mal gesagt, und das hat sie geärgert, als würde ich mich in ihre Angelegenheiten mischen. Was vielleicht auch stimmt, jeder hat das Recht zu tun, was ihm passt. Mich ärgert es auch, wenn mir jemand sagt, wie ich mich zu benehmen habe. Also habe ich aufgehört, ihr meine Meinung zu sagen, und da sie wusste, dass ich es nicht gut fand, sprach sie mit mir nicht mehr über diese Angelegenheit.«
»Weißt du, ob sie das Zeug in letzter Zeit nahm?«
»Ich weiß es nicht, ich schwöre!«
Ihr Ton war genervt, aber sie hatte sich gleich wieder unter Kontrolle und sprach weiter.
»Sie sehen doch, ich will Ihnen helfen. Ich weiß nicht, wie Sie es geschafft haben, aus mir Dinge herauszulocken, die ich auf keinen Fall erzählen wollte. Aber gerade der Umstand, dass ich ehrlich bin, sollte Sie überzeugen, dass ich nichts verbergen will. Das müssen Sie mir glauben.«
»Ich glaube dir ja. Es kann nur trotzdem sein, dass uns ein Detail entgeht, deshalb bin ich so hartnäckig.«
»Ich weiß nicht, ob Manuela in der letzten Zeit, bevor sie verschwunden ist, Drogen genommen hat. Ich weiß es nicht. Wenn ich es wüsste, würde ich es sagen; ich habe Ihnen doch schon eine Menge Dinge gesagt.«
»Wen könnten wir das fragen?«
»Das weiß ich auch nicht. Während der letzten Monate war ich in Bari und sie in Rom, und wir haben uns nicht mehr so oft gesehen.«
Ich hätte sie gern gefragt, ob sie manchmal zusammen mit Manuela Kokain genommen hatte, aber ich traute mich nicht.
»Was weißt du von dem Ort bei Ostuni, wo Manuela die Nacht von Samstag auf Sonntag verbracht hat?«
»Nichts Genaues. Ich war letztes Jahr einmal dort zum Abendessen. Es ist sehr schön, da gehen eine Menge netter Leute ein und aus. Manuela fuhr sehr gern dort hin.«
»Kennst du das Mädchen, das Manuela eingeladen hatte?«
»Oberflächlich.«
Ich machte eine Pause, um die neuen Informationen zu verarbeiten. Ich schrieb nichts mit. Ich hatte mir überlegt, dass die Unterhaltung so natürlicher wirkte und dass es besser wäre, wenn ich sie nicht unterbrach, um mir Notizen zu machen. Also versuchte ich mir im Kopf
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