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Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Titel: Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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ausgelaufen war. Ich hätte für den Sommer eine andere finden müssen, aber dann ist das mit Manuela passiert … Ich weiß nicht, ich hatte danach einfach keine Lust, mir ein neues Zimmer zu suchen. Also wohne ich jetzt wieder in Bari und fahre nur zu den Prüfungen nach Rom.«
    Ich hatte den Eindruck, dass die Antwort eine Spur zu schnell kam. Als fände sie die Frage irgendwie unangenehm. Sie unterbrach schnell den Rhythmus meiner Gedanken.
    »Sie sind Strafrechtler, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Ich schreibe meine Examensarbeit in Strafprozessrecht, über das Beweissicherungsverfahren. Ich würde gern Richterin werden – Staatsanwältin vielmehr – oder auch Anwältin für Strafrecht. Vielleicht könnte ich ja nach meinem Examen hier ein Praktikum machen?«
    »Warum nicht?«, sagte ich zögerlich, da ich nicht recht wusste, was ich erwidern sollte.
    »Ich bin hübsch, ich mache was her, wenn Sie mich zum Gericht mitnehmen. Ihre Kollegen würden Sie beneiden«, fügte sie hinzu.
    »Das zumindest wäre sicher.«
    »Ach, entschuldigen Sie. Manchmal benehme ich mich einfach daneben. Ich bin ein bisschen oberflächlich und vergesse darüber die wichtigen Sachen. Und hier geht es um etwas Wichtiges. Was hatten Sie mich gefragt?«
    »Wie Manuela so war. Auch wenn ich sie von Fotos kenne, will es mir nicht so recht gelingen, sie mir vorzustellen.«
    »Manuela ist sehr hübsch. Eher klein, brünett – aber das wissen Sie von den Fotos –, im Sommer wird sie sehr braun. Sie hat eine tolle Figur. Auch Nicoletta sieht gut aus, aber sie hat weniger Persönlichkeit. Sie ist groß und schlank und hat schon als Model gearbeitet. Wenn wir uns aufstylen und zusammen zu einer Party gehen oder in ein Lokal, drehen die Leute sich nach uns um – nicht nur die Jungs. Wir machen was her. Unser Spitzname ist Sex and the City .«
    Sie sah mir in die Augen, um zu sehen, ob die Information gewirkt hatte. Ich tat so, als wäre nichts.
    »Wie ist ihr Charakter so?«
    »Sie ist sehr zielstrebig. Wenn sie etwas will, nimmt sie es sich. Darin sind wir uns ähnlich.«
    Während sie das sagte, sah sie mir erneut in die Augen, ein wenig länger als nötig.
    Mir fiel ein, was Anita gesagt hatte, darüber, dass sie Manuela als nervöse Person empfunden hatte.
    »Würdest du sagen, dass sie eher ein ruhiger oder ein nervöser Typ ist?«
    »Ruhig. Sie behält die Ruhe auch unter stressigen Bedingungen. Ganz bestimmt ein ruhiger Typ.«
    Wenn also Anita recht gehabt hatte mit ihrem Eindruck von Nervosität, dann war an jenem Nachmittag irgendetwas Außergewöhnliches im Gange, schon bevor Manuela verschwand. Das war ein Detail, das vielleicht von Bedeutung war. Oder vielleicht waren es auch nur zwei verschiedene Perspektiven. In jedem Fall musste ich noch etwas Konkreteres herausfinden.
    »Du weißt doch, dass diese Unterhaltung vertraulich ist?«
    Zum ersten Mal, seit sie in mein Zimmer gekommen war, schien sie zu zögern.
    »Ja … das heißt …«
    »Ich meine damit, dass alles, was du mir sagst, unter uns bleibt. Ich brauche es nur, um irgendeinen Anhaltspunkt zu finden, um besser zu verstehen, was passiert ist.«
    »Gut … in Ordnung.«
    »Ich möchte, dass du mir ganz ehrlich sagst, ob du eine Ahnung hast, was Manuela passiert sein könnte.«
    »Nein. Ich habe keine Ahnung. Dasselbe haben mich auch die Carabinieri gefragt. Aber ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, was passiert sein könnte. Ich habe mir auch den Kopf zermartert wie alle, aber …«
    »Sag mir doch, an was für Möglichkeiten du gedacht hast. Auch wenn sie dir absurd vorkommen. Irgendwas musst du dir doch vorgestellt haben. Danach hast du es wahrscheinlich verworfen, aber du musst dir doch irgendetwas gedacht haben.«
    Sie sah mich an. Und wurde ernst. Ich meine, bis zu dem Moment war ihr Ausdruck immer etwas herausfordernd gewesen, als wollte sie mit mir spielen. Dieser Zug war jetzt verschwunden. Sie seufzte, bevor sie antwortete.
    »Ich habe gedacht, dass Manuelas Verschwinden etwas mit ihrem Ex-Freund Michele zu tun haben könnte.«
    Dieser Scheißkerl wäre wirklich der perfekte Verdächtige, dachte ich. Wirklich Pech für uns (und Glück für ihn), dass er an jenem Tag im Ausland war.
    »Der jedoch im Ausland war.«
    »Genau.«
    »Warum dachtest du an Michele?«
    »Was besagt das schon? Er war im Ausland, das heißt, dass er nichts mit der Sache zu tun hat.«
    »Ich hätte gern, dass du mir sagst, warum du an ihn gedacht hast.«
    Caterina schüttelte den Kopf. Als sei

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