Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Titel: Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
Vom Netzwerk:
und umerzieht, hat ihn mir geschenkt.«
    »Umerzieht?«
    »Ja, Pino war ein Kampfhund. Er wurde zusammen mit mehreren anderen von den Carabinieri sichergestellt, bei einem Einsatz gegen illegale Wetten.«
    »Ich war einmal als Anwalt in einen Prozess wegen solcher illegalen Wettkämpfe involviert.«
    »Verteidigst du etwa diese Schurken, die die Hunde dazu bringen, einander zu zerfleischen?«
    »Ehrlich gesagt habe ich den Tierschutzverein vertreten, der als ziviler Nebenkläger beteiligt war.«
    »Na, das ist schon besser. Ich wollte gerade Pino losmachen und dich die Sache mit ihm austragen lassen.«
    »Bist du sicher, dass es eine gute Idee ist, mit einem Kampfhund herumzuziehen?«
    »Meine Freundin Daniela erzieht diese Hunde um. Man vertraut sie ihr an – sie hat einen Zwinger – und sie dekonditioniert sie und verwandelt sie in Begleit- und Gesellschaftshunde.«
    »Sie dekonditioniert Hunde? Das ist der Beruf deiner Freundin?«
    »Sie hat eine Hundepension und eine Hundeschule. Das Basisprogramm – Sitz, Platz, bei Fuß – oder auch die Ausbildung zum Wach- oder Schutzhund. Und dann erzieht sie kriminelle Hunde um, wie sie sie nennt.«
    » Krimineller Hund scheint mir die richtige Bezeichnung für dieses Element hier!«
    »Pino ist jetzt ganz brav und würde keiner Fliege etwas zuleide tun.«
    »Das glaube ich gern, dass er sich nicht für Fliegen interessiert«, sagte ich und warf einen Blick auf das schwarze Ungeheuer, das mich weiterhin anstarrte, als sei ich ein Schnitzel.
    Wir kamen zur Uferpromenade in der Nähe meiner Wohnung. Nadia hielt an dem Kreisel vor dem Hotel der Nationen und ließ die Scheibe herunter. Es war windstill und der Regen schien nachzulassen. Sie steckte sich eine Zigarette an und rauchte so, dass ich es sehr bedauerte, das Rauchen aufgegeben zu haben. Dann sprach sie, ohne mich dabei anzusehen.
    »Vielleicht habe ich dich in Verlegenheit gebracht, als ich dir vorschlug, dich nach Hause zu fahren. Vielleicht hast du keine große Lust, mit einer Ex-Prostituierten herumzuziehen. Auf diesem Gebiet ist man nie wirklich ex. Wer einmal eine Hure war, bleibt es für immer.«
    »Noch so ein Satz und ich gehe.«
    Sie drehte sich zu mir um, zog ein letztes Mal an der Zigarette und warf die Kippe aus dem Fenster.
    »Habe ich was Dummes gesagt?«
    »Ich glaube schon.«
    Sie sagte nichts. Stattdessen holte sie noch eine Zigarette heraus, steckte sie jedoch nicht an.
    »Es hört auf zu regnen.«
    »Schön. Ich kann Regen nicht leiden.«
    »Hast du Lust, ein wenig zu laufen? Dann könnte auch Pino seine Beinmuskeln ein wenig trainieren.«
    »Solange er nicht seine Kiefermuskeln trainiert.«
    Wir stiegen aus dem Auto. Nadia öffnete die Heckklappe und ließ die Bestie heraus. Ohne Leine oder Maulkorb.
    »Meinst du, es ist eine gute Idee, ihn so ohne Leine herumlaufen zu lassen? Ich gebe zu, es gibt heutzutage prima Prothesen, aber wenn er ein Kind oder eine alte Frau reißt, bedeutet das zumindest Scherereien.«
    Nadia gab keine Antwort, sondern flüsterte nur dem Hund etwas zu, was ich nicht verstand. Tatsache ist, dass er beim Spazierengehen immer hinter uns ging, ganz dicht am linken Bein seiner Besitzerin, als liefe er an einer straffen, unsichtbaren Leine. Sein Schritt war fast hypnotisch und erinnerte mehr an den einer großen Wildkatze als an den eines Hundes. Der Kopf, an dem ein Ohr beinahe vollständig fehlte, hatte die Maße einer kleinen Melone, und unter dem schwarzen, glänzenden Fell bewegten sich die Muskeln kraftvoll hin und her wie dicke Seile. Das Ganze vermittelte den Eindruck von kontrollierter, lebensgefährlicher Kraft.
    Wir legten stumm noch ein paar Meter zurück, während die allerletzten Tropfen fielen und der Regen schließlich ganz versiegte.
    »Warum hast du ihn Pino genannt? Das ist ein ungewöhnlicher Name für einen Hund, noch dazu für einen solchen Hund.«
    »Das war Danielas Idee. Sie gibt den Hunden, die sie umerzieht, immer Menschennamen. Ich glaube, dass das ihre Arbeit psychologisch fördert.«
    »Wie alt ist er?«
    »Drei. Weißt du, warum ich froh bin, diesen Hund zu haben?«
    »Sag es mir.«
    »Er ist der lebendige Beweis dafür, dass man sich ändern kann. Dass man etwas ganz anderes werden kann als das, was man vorher war.«
    Ich nickte. Sie blieb stehen, und der Hund, der ihrem stummen Befehl gehorchte, setzte sich brav neben sie.
    »Willst du ihn streicheln?«
    Ich wollte gerade den x-ten Witz über die Gefährlichkeit des Tieres machen, ließ es

Weitere Kostenlose Bücher