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Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Titel: Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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Satz, den ich unbedingt irgendwann in meinem Leben einmal anwenden will.«
    »Welchen Satz?«
    »Harvey Keitel verhört Brad Pitt, und um ihn zum Reden zu bringen, sagt er: Junge, meine Mission wird es von nun an sein, dich unglücklich zu machen . Das nenne ich eine Mission!«
    »Aber jetzt bist du dran.«
    » Jesus Christ Superstar . Maria Magdalena, die neben Jesus’ Zelt singt, während er schläft.«
    » I don’t know how to love him .«
    Als sie den Titel von Maria Magdalenas Song aussprach, den Song der Prostituierten, merkte ich, dass ich ins Fettnäpfchen gestiegen war.
    Sie ließ sich nichts anmerken. Im Gegenteil, sie ging so deutlich darauf ein, dass die Sache nicht mehr peinlich war.
    »Du kannst dir sicher vorstellen, dass ich mich mit dieser Szene besonders identifiziert habe.«
    An dieser Stelle gab es unweigerlich eine Pause.
    »Okay, meine Identifikationsfigur ist Maria Magdalena. Und deine?«, fragte Nadia schließlich.
    »Ich identifiziere mich gleichermaßen mit den beiden Protagonisten von Philadelphia , Denzel Washington und Tom Hanks.«
    »Mein Gott, die Schlussszene, in die die Super-Acht-Filme von Tom Hanks als Kind hineingeschnitten sind! Die habe ich so deutlich vor Augen, als würde ich sie gerade sehen. Die Schaukel, die Kinder, die am Strand spielen, die Mutter mit ihrem Sixties-Kleid und dem Kopftuch, der Hund, er im Cowboy-Kostüm … die Musik von Neil Young. Es ist unerträglich rührend.«
    »Die letzte Szene ist die rührendste, aber meine Lieblingsszene ist die vom Prozess, als Denzel Washington Tom Hanks vernimmt.«
    »Warum?«
    »Wenn du willst, spiele ich sie dir vor, dann verstehst du vielleicht, was ich meine.«
    »Was meinst du mit vorspielen? Du kannst sie doch nicht etwa auswendig?«
    »So ungefähr.«
    »Das glaube ich nicht.«
    »Du erinnerst dich doch an die Geschichte, oder?«
    Sie sah mich an wie ein Grand-Slam-Spieler, den man gerade gefragt hat, ob er weiß, wie man eine Rückhand spielt. Ich hob die Hände zum Zeichen der Kapitulation.
    »Ist schon gut. Also, wir sind in der entscheidenden Phase des Prozesses, und Denzel Washington befragt Tom Hanks, der im Film Andrew heißt. Seine Krankheit ist schon fortgeschritten, und er hat nicht mehr lang zu leben.
    – Sind Sie ein guter Anwalt?
    – Ich bin ein hervorragender Anwalt.
    – Was macht Sie zu einem hervorragenden Anwalt?
    – Ich liebe das Gesetz.
    – Was lieben Sie am Gesetz?
    – Vieles … (er kommt durcheinander, denn er ist krank und müde) was ich noch mehr liebe als das Gesetz?
    – Ja.
    – Die Tatsache, dass ich manchmal, nicht immer, aber von Zeit zu Zeit, Teil der Gerechtigkeit bin. Wenn die Gerechtigkeit auf das Leben angewandt wird.
    – Danke, Andrew.«
    Nach ein paar Sekunden angespannter Stille applaudierte Nadia.
    Dieses Spiel hatte ich schon lange nicht mehr gespielt. Vor vielen Jahren war es mir sehr leichtgefallen, Worte aus Filmen, Liedern, Büchern, Gedichten auswendig zu lernen. Dann war es mir aus verschiedenen Gründen immer schwerer gefallen.
    Nichts lässt einen das schmerzliche Vergehen der Zeit so deutlich spüren wie die Einbuße von Fähigkeiten, die man immer für selbstverständlich gehalten hatte. Ungefähr so, wie es einem im Sportverein passiert. Du boxt mit jemandem und siehst – auch wenn das so nicht ganz richtig ausgedrückt ist –, dass er mit der Rechten zu einer Geraden ausholt. Du weißt genau, was du in diesem Fall tun musst: dich bücken, ausweichen, wieder auftauchen und angreifen, alles in einer einzigen, fließenden Bewegung. Dein Gehirn schickt den Befehl an den Oberkörper und die Arme, doch der Befehl kommt den Bruchteil einer Sekunde zu spät, die Faust erwischt dich und dein Gegenangriff ist langsam – so scheint es dir – und unangemessen. Kein angenehmes Gefühl.
    Dass mir in jener Nacht die Worte des Films so mühelos und klar in den Sinn gekommen waren, freute mich. Es bedeutete, dass ich wieder einen Bezug zum Wesentlichen gefunden hatte.
    »Wie schaffst du das?«
    »Ich weiß es nicht. Es ist mir immer schon leichtgefallen, Dinge, die ich mag – und das hier mag ich eben besonders gern –, zu lernen und zu behalten. Aber seit einiger Zeit dachte ich, diese Fähigkeit verloren zu haben. Ich wundere mich selbst, dass ich es noch kann. Auch wenn man vielleicht nachsehen sollte, ob die Dialoge auch stimmen.«
    Sie sah mich an und schien nach den richtigen Worten zu suchen. Oder nach der richtigen Frage.
    »Gefällt es dir so gut, weil du dich

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