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Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Titel: Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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oft herkam und allein aß, trank und der Musik zuhörte, obwohl er nicht schwul war. Ich empfand ein Gefühl der Vertrautheit, was mir gut gefiel, so als gehörte dieser Ort auch ein wenig zu mir. Ich fühlte mich sicher hier.
    Ich sah mich nach Nadia um, aber sie war nicht da. Ich bedauerte das und wollte den Barmann schon nach ihr fragen, aber sein Gesichtsausdruck, der so herzlich war wie ein Fausthieb auf die Nase, brachte mich von der Idee ab. Also setzte ich mich, bestellte Orecchiette mit Kräuterseitlingen und ein Glas Primitivo und schaffte es, mich nur aufs Essen und Trinken zu konzentrieren.
    Nadia kam, als ich gerade gehen wollte.
    »Ciao, Guido«, sagte sie fröhlich. »Ich musste zu einer Geburtstagsparty bei einer Freundin. Sie ist wirklich nett, aber ihre Freunde sind die größten Langweiler, die es gibt. Noch dazu war das Catering katastrophal, es gab Nudelauflauf in Aluförmchen. Und dann hat mich noch ein Kollege von dir angemacht, so einer mit Wampe und Schuppen. Gehst du schon?«
    »Na ja, es ist immerhin Mitternacht.« Mir fiel auf, dass in meinen Worten ein vorwurfsvoller Ton mitschwang, so als wäre die Tatsache, dass sie bei meiner Ankunft nicht da war, eine vorsätzliche Unhöflichkeit gewesen. Gott sei Dank merkte sie das nicht.
    »Ach ja, ich vergesse immer, dass die anderen ja am nächsten Morgen früh aufstehen und arbeiten müssen.«
    »Wenn ich ehrlich bin, kann ich morgen sogar ausschlafen. Ich muss nach Rom, aber mein Flug geht erst um elf.«
    »Dann bleib doch noch ein bisschen! Ich muss mich erst von der Party erholen. Komm, ich lasse dich etwas probieren, was du bestimmt magst.«
    »Eine andere Sorte Absinth?«
    »Besser! Lass mich nur kurz nachsehen, ob meine Hilfe gebraucht wird, was ich nicht glaube, und dann setze ich mich zu dir.«
    Fünf Minuten später kam sie zu meinem Tisch mit zwei Gläsern und einer Flasche mit einem interessanten, altmodischen Etikett.
    »Du hast doch schon gegessen, oder? Dieses Zeug sollte man nicht auf leeren Magen trinken.«
    »Was ist das?«
    »Ein irischer Whiskey. Er heißt Knot. Koste mal und dann sagst du mir, wie du ihn findest.«
    Er schmeckte nicht wie ein Whiskey. Er duftete nach Rum und erinnerte an Southern Comfort, jedoch ohne dessen süßlichen Beigeschmack.
    »Gut«, sagte ich, als ich das Glas geleert hatte. Sie füllte es noch einmal und schenkte auch sich selbst eine großzügige Ration ein.
    »Manchmal habe ich das Gefühl, dass mir dieses Zeug ein wenig zu gut schmeckt.«
    »Das denke ich mir manchmal auch.«
    »Aber verschieben wir dieses Problem auf einen anderen Abend, einverstanden?«
    »Einverstanden.«
    »Morgen fliegst du also nach Rom. Das will ich in den nächsten Wochen auch tun. Ich will ein paar Freundinnen besuchen und ein bisschen Geld ausgeben.«
    Ich überlegte, wie ich den Grund meiner Ermittlungen und die Fragen, die ich ihr stellen wollte, ins Gespräch einflechten könnte, aber mir fielen die richtigen Worte nicht ein. Ich tat so, als würde ich mich ganz auf den Whiskey und seine blassgoldene Farbe konzentrieren, aber ich wirkte dabei so überzeugend echt wie eine Monopoly-Banknote.
    »Willst du mich etwas fragen?«, sagte sie und ersparte mir dadurch einen Teil der Mühe. Ich fragte mich kurz, ob ich ihr eine x-beliebige Lüge auftischen sollte, doch meine Antwort war nein.
    »Ehrlich gesagt, ja.«
    »Na, dann frag doch.«
    Ich fasste, so gut ich konnte, die ganze Geschichte in einer Kurzversion zusammen, wobei ich die Details wegließ, die meiner Meinung nach nebensächlich waren. Zu diesen Details gehörten auch die äußeren Umstände meiner Romreise. Das heißt die Tatsache, dass ich nicht allein hinfuhr.
    Als ich zu der Frage kam, wegen der ich hier war, blickte ich mich unweigerlich misstrauisch um.
    »Und aus diesem Grund wollte ich dich fragen, ob unter den Gästen des Chelsea jemand ist, der sich in diesen Kreisen bewegt, die mit Kokain und anderen Drogen zu tun haben, meine ich. Damit das klar ist: Ich habe keinen konkreten Verdacht. Als mein Mandant mir sagte, dass er die Informationen von einem schwulen Freund hat, fiel mir ein, dass ich vielleicht dich fragen könnte.«
    »Ich weiß wirklich nicht, wie ich dir helfen könnte. Falls einige meiner Gäste mit Kokain zu tun haben sollten – was ziemlich wahrscheinlich ist –, dann weiß ich nichts davon. Ganz sicher hat keiner es hier konsumiert – derjenige würde es mit Hans oder Pino zu tun bekommen –, aber wir haben nicht einmal

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