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Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde

Titel: Guido Guerrieri 04 - In ihrer dunkelsten Stunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianrico Carofiglio
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habe oft keine Lust zu arbeiten, verlasse mich zu sehr aufs Improvisieren.
    Für mich ist ein guter Anwalt einer, der auch diszipliniert ist, einer, der sich an den Schreibtisch setzt, wenn er ein Schriftstück aufsetzen muss – einen Einspruch oder ein Protokoll –, und so lange nicht aufsteht, bis es fertig ist. Ich hingegen setze mich hin und schreibe ein paar Sätze. Danach denke ich, dass alles falsch war und werde nervös. Dann mache ich etwas ganz anderes, was natürlich weniger wichtig und dringend ist. Oder ich gehe gleich aus dem Haus, laufe in die Buchhandlung und kaufe mir ein Buch. Dann komme ich zurück und schreibe weiter, aber einfach so, ohne Überzeugung, und warte, bis die Zeit vergeht und es fünf vor zwölf ist. Und dann erst nehme ich mich zusammen und schreibe und bin produktiv. Aber ich habe jedes Mal den Eindruck, etwas einfach so hingeworfen zu haben. Meine Mandanten hereinzulegen. Und überhaupt den Rest der Welt hereinzulegen.«
    Nadia kratzte sich an der Schläfe und sah mich an wie jemanden, der wirklich sehr merkwürdig ist. Dann zuckte sie die Achseln.
    »Du spinnst. Besser kann ich es nicht ausdrücken.«
    »Worin bist du denn besonders gut?«
    Warum musste ich ständig Peinlichkeiten von mir geben? Gibt es etwas Idiotischeres, als ein Mädchen, das von Beruf Prostituierte und Pornodarstellerin war, zu fragen, worin sie gut ist?
    »Ich wäre gern besonders gut in irgendetwas. Aber eigentlich bin ich noch auf der Suche. Ich kann ganz gut zeichnen und malen, aber ich würde nicht sagen, dass ich wirklich gut darin bin. Ich kann singen, ich bin musikalisch, aber meine Stimme ist nicht besonders fest. Wenn ich ein Musikstück höre, kann ich es sofort nachsingen oder nachspielen. Das ist eine Fähigkeit, die ich vernachlässigt habe.« Man spürte einen Anflug von Selbstmitleid, den sie jedoch gleich wieder unter Kontrolle hatte.
    »Und gut zuhören kann ich auch. Das sagen alle.«
    »Stimmt, du hast mir gesagt, dass es Kunden gab, die nur reden wollten. Sie wollten von sich erzählen, ohne verurteilt zu werden.«
    »Genau. Wenn du jemanden für seine Zeit bezahlst, musst du dir keine Sorgen um deine Leistung machen. Weder wenn du sprichst, noch wenn du vögelst. Einer meiner Kunden war ein sehr gut aussehender Mann, ein Schauspieler um die fünfzig, wohlhabend, erfolgreich und potent. Er hätte alle Frauen, die er wollte, umsonst haben können, aber er kam lieber zu mir und bezahlte.«
    »Weil er sich bei dir keine Sorgen machen musste.«
    »Genau. Da er mich bezahlte, musste er keine Angst haben, dass seine Leistung den Ansprüchen etwa nicht genügte. Sowohl, was die Konversation anging, als auch den Sex. Er hatte keine Angst, sich zu zeigen.«
    Sie machte eine Pause und lächelte, bevor sie weitersprach.
    »Sagen wir’s mal so: Bei mir konnte er die Papiertüte vom Kopf nehmen.«
    Diese Worte blieben in der Luft hängen und zerfielen dann langsam zu Staub.
    Unsere Gläser waren leer und es war sehr spät.
    »Trinken wir noch etwas und gehen dann ins Bett?«
    Ich nickte tiefsinnig und mit leicht getrübtem Blick. Sie füllte zwei Gläser, gab mir meines jedoch nicht. Sie ließ sie vor sich stehen, als müssten vorher noch irgendwelche Formalien erledigt werden.
    »Soll ich dir was sagen?«
    »Ja, was?«
    »Wenn ich mit dir rede, suche ich nach den richtigen Worten.«
    »Was meinst du damit?«
    »So, als wollte ich Eindruck auf dich machen. Ich suche nach den richtigen Worten, ich versuche, intelligente Sachen zu sagen.«
    Ich erwiderte nichts. Alle Antworten, die mir einfielen, waren ausgesprochen unintelligent. Und deshalb zu vermeiden.
    »Ich habe es daran gemerkt, dass ich nach einem originellen oder lustigen Trinkspruch gesucht habe, aber ohne Erfolg.«
    Da ergriff ich mein Glas und stieß mit ihrem an, das noch auf dem Tisch stand.
    »Dann tun wir es eben ohne Worte«, sagte ich.
    Nach kurzem Zögern nahm sie ihres, hielt es hoch, während sie mich mit einem unsicheren Lächeln ansah, und schließlich tranken wir alle beide.
    Aus der Dunkelheit draußen drangen gedämpft beinahe abstrakte Geräusche einer aufgehobenen Zeit herein.

26
    A m nächsten Morgen schlief ich ein wenig länger als sonst und merkte beim Aufwachen, dass ich den Whiskey der vorigen Nacht noch nicht ganz verarbeitet hatte. Um dem entgegenzusteuern, entschied ich mich für ein gesundes Frühstück mit Joghurt, Müsli und meiner üblichen großen Tasse Kaffee. Ich verscheuchte den Ring um meinen Kopf mit

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