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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Welle, bei der der Körper als Surfbrett dient.
    Als sie zum dritten Mal hinausschwammen, um auf eine Woge zu warten, die groß genug war, kämpfte sie sich zu ihm durch, solange sie den Grund noch mit den Zehenspitzen berühren konnte, und umschlang ihn mit Armen und Beinen. Er hielt sie lange so an sich gepreßt, während sie sich küßten und lachten und von Zeit zu Zeit von einem Wellenkamm überspült wurden.
    Er sah glücklich aus, als würden diese ewigen geheimnisvollen Wolken nicht mehr seinen Gesichtsausdruck verdüstern. Sie entschied, daß es so gut war, solange es dauerte. Sie nahm sich vor, keine definitive Frage zu stellen und keine Dämonen von Pflicht und Verantwortung zu wecken, die seinen empfindlichsten Punkt berührten.
    Und ihren. Sie mußte auch verdrängen. Für sie war es ebenfalls wirklich und unwirklich zugleich. Sie hatte eine verzweifelte Chance beim Schöpf gepackt, ohne eigentlich zu planen oder vorherzusehen, wie es gehen würde oder konnte. War einfach nach Stockholm geflogen. Es war verrückt. Es war von dem Augenblick an unverantwortlich gewesen, in dem ihr klar gewesen war, daß er so gut wie verheiratet war und daß die andere ein Kind erwartete. Trotzdem hatte sie die Reise fortgesetzt, als würden andere Kräfte als sie selbst über die Fortsetzung entscheiden.
    Doch jetzt ging es nur darum, die Zeit anzuhalten, von allem freizunehmen, was mit der anderen Welt zu tun hatte, mit Verantwortung und Zukunft. Jetzt wollte sie nur das Wasser genießen, kalte, salzige Haut, nasses Haar, Sand und Sonne. Er sah tatsächlich glücklich aus, und auch für ihn existierte nichts anderes als das, was gerade geschah. Gerade jetzt war es wichtig, den Moment zu nutzen. Nichts anderes.
    Carl ruhte im Augenblick.
    Anfänglich hatte er es sich nur suggeriert, daß er im Augenblick ruhte. Absurderweise erinnerte ihn das an eine andere Situation, in der die Zeit stehengeblieben war und sich eine vollkommene, fast gleichgültige Ruhe seiner bemächtigt hatte.
    Damals hatte er draußen am Rande Moskaus in einer kleinen Vorortstraße gestanden, in der Nähe des äußeren roten Rings, den kein Ausländer überschreiten durfte, und ein Fenster im obersten Stockwerk eines heruntergekommenen Mietshauses betrachtet. Hinter dem Fenster hatte sich ein Mensch befunden, den er in wenigen Minuten ermorden sollte. Und gerade in dem Moment, mit der Einsicht, daß er jetzt am Ziel war, hatte sich ein vollkommener Stillstand seiner bemächtigt.
    Er erinnerte sich nicht mehr daran, wie lange er so gestanden hatte, da die Zeit aufgehört hatte. Doch dann war natürlich das Gegenteil eingetreten. Der Nachbrenner war eingeschaltet worden, und die Landegestelle wurden eingefahren, die Tragflächen für Überschallgeschwindigkeit zurückgeklappt, und so weiter.
    Aber vielleicht war es das Wasser, das kalte, graugrüne Wasser und alle Erinnerungen daran, was den ruhenden Augenblick ausgedehnt hatte. Als er etwa ihre Taille umfaßt hielt und sie ihm die Beine um den Körper schlang und sie sich im Salzwasser küßten. Oder ihr brauner Körper, als sie mit dem schwarzen nassen Haar hinter sich wie ein Torpedo durch die Wellen glitt. Vielleicht so etwas.
    Er hörte auf, zu grübeln und sich Sorgen zu machen. Im Augenblick gab es nichts anderes, und niemand hatte sie gestört außer einem Bodybuilder und SEAL-Typ, der vorbeigegangen war und nur howdy gesagt hatte, »wie ich höre, hast du dich gut gemacht«. Und dann nichts mehr und keine Miene hinter der dunklen Sonnenbrille, als wäre es selbstverständlich, daß alle bei SEAL früher oder später Man of The Year werden würden.
    Carl hatte schnell alle Versuche aufgegeben, herauszufinden, woher er den Kollegen kannte. Vielleicht hatten sie gemeinsam Turnübungen gemacht, vielleicht waren sie zusammen irgendwo über einer dunklen Wasserfläche abgesetzt worden, vielleicht aus derselben C 104-Maschine.
    Er lag auf dem Bauch im Sand, und sie saß rittlings auf ihm und rieb ihn noch einmal mit amerikanischer Sonnencreme ein.
    Es roch nach getrocknetem Tang. Er lag mit der Nase im Sand. Auf dem Rücken brannte es ein wenig, am meisten auf dem einen Schulterblatt, auf dem ein Austrittsloch Narbengewebe zurückgelassen hatte; offenbar waren diese Narben starkem Sonnenlicht gegenüber empfindlicher als der übrige Körper.
    »Ich habe gerade eine brillante Idee«, murmelte er fast schläfrig.
    »Daß wir noch einmal baden sollen?« schlug sie lachend vor.
    »O nein. Ja, das heißt

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