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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Mann immer noch die Brille auf?
    Wenn er noch bei Bewußtsein war, als sie ihn erst durch das eine Knie und dann durch das andere schossen, muß er ja versucht haben, den Oberkörper hin und her zu werfen. Trotzdem sitzt die Brille noch da.
    Nein, das ist noch längst nicht alles.
    Der Mann ist unfähig, sich zu bewegen, aber bei Bewußtsein. Jetzt entblößen sie seine Brust und schneiden das Hakenkreuz in die Haut und diese Buchstaben - hat er einmal einen Eid gebrochen? -, und dann wollen sie, daß er eine Brille auf der Nase hat. Sie holen die Brille, beispielsweise vom Schreibtisch. Nein, neben dem Stuhl liegt eine Zeitung; wir korrigieren uns.
    Sie heben die Brille vom Fußboden auf und setzen sie ihm auf. Es ist eine Lesebrille. Sie hat wohl auf der Zeitung gelegen. Er konnte die Männer auch ohne Brille sehen und vor allem hören.
    Sie wollen, daß er etwas liest. Soll er den Eid, den er gebrochen hat, vor dem Tod noch einmal lesen?
    Nun ja, oder etwas in der Richtung. Er soll jedenfalls etwas lesen, bevor er stirbt.
    Nachdem der Mann gelesen hat, hält ihm einer der Täter mit einer Hand das Dokument vors Gesicht, spricht mit seinem Opfer, drückt ihm die Pistole oder den Revolver, oder was er sonst benutzt hat, gegen die Nase.
    Einige letzte Worte, Verwünschungen, Flüche oder höhnische Bemerkungen, und dann drückt der Mörder ab.
    Die Täter räumen nicht auf. Sie lassen ihr Opfer mit der vollgespritzten, blutverschmierten und verrutschten Brille so sitzen, wie er ist. Das ist alles, was sich im Augenblick erkennen läßt. Vielleicht ist alles völlig falsch. Das werden wir sehen, wenn die Techniker mit ihrer Arbeit fertig sind.
    »Sind die Techniker schon unterwegs?« fragte Rune Jansson in dem neuen, etwas abgehackten Tonfall, den er sich, wie seine Frau behauptete, seit seiner Beförderung zum Chef zugelegt hatte.
    »O ja. Ich habe auch den Quacksalber in Linköping angerufen. Die ganze Bande ist schon unterwegs. Dürften in zwanzig Minuten oder so hier sein«, erwiderte der uniformierte Polizeibeamte, der mit einem rot-weißen Absperrband zwischen den Zähnen in der Tür stand.
    »Der Quacksalber?« fragte Rune Jansson.
    »Also der Gerichtsmediziner, Verzeihung, falls ich…«
    »Schon gut, ich weiß. Aber der ist mit seiner Arbeit erst später dran.«
    »Schon, aber das hier ist ja recht speziell, und ich dachte mir, daß er sich das Ganze vielleicht sozusagen am Tatort ansehen will. Er schien jedenfalls interessiert zu sein und hat ein Essen sausen lassen… und ja.«
    »Richtig gedacht. Wie heißt du übrigens?«
    »Arne. Arne Johansson.«
    »Du bist als erster am Tatort gewesen?«
    »Ja, ein paar Minuten vor dem Krankenwagen. Sie, also die Witwe, hatte 90 000 gewählt.«
    »Mhm. Wo ist sie jetzt? Ist sonst noch jemand im Haus?«
    »Nee, nur sie. In der Küche. Die Krankenwagenfahrer halten sie fest.«
    »Halten sie fest?«
    »Ja, sie versuchen, sie zu beruhigen und ihr irgendwas zu geben. Sie will unbedingt mit irgendeinem Chef sprechen, so daß es vielleicht am besten ist, wenn du…?«
    »Ja. In der Küche, sagst du. Wo ist sie?«
    »Raus durch die Diele, zweite Tür links durch einen Anrichteraum, und dann brauchst du nur dem Lärm zu folgen.«
    »Dem Lärm?«
    »Ja, die Alte, Verzeihung, die Witwe, ist stinkwütend. Dürfte der Schock sein.«
    Rune Jansson drängte sich an dem uniformierten Beamten vorbei und zog sich die Plastikhüllen von den Schuhen. In dem dunklen Anrichteraum hörte er tatsächlich eine laute weibliche Stimme. Sie war durchaus nicht hysterisch, aber laut.
    Er klopfte vorsichtig an der halboffenen Küchentür, bevor er eintrat. Am Tisch, einem großen Küchentisch aus massiver Kiefer, der in der Mitte der erstaunlich modernen Küche stand, saßen drei Personen. Zwei Krankenwagenfahrer und sie.
    Sie strahlte eher Stärke als Trauer und Verzweiflung aus. Um die Augen war ein wenig Mascara verlaufen, aber sie saß mit kerzengeradem Rücken ein Stück vom Tisch entfernt in einer Körperhaltung da, die starke Mißbilligung verriet. Vor ihr lagen zwei weiße Pillen, und daneben stand ein Glas Wasser.
    »Auf gar keinen Fall, habe ich gesagt. Und wer sind Sie?«
    sagte sie und wandte sich zu Rune Jansson.
    »Ich heiße Rune Jansson und bin Chef der Kriminalpolizei in Norrköping«, erwiderte er. Er ertappte sich dabei, sich zum ersten Mal so vorgestellt zu haben.
    »So, Sie sind also der Chef dieser Figuren hier«, sagte die grauhaarige Dame eher im Kommandoton als in Form einer

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