Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder
wir baden erst noch einmal. Dann fahren wir ins Hotel und lieben uns, während wir immer noch salzig und voller Sand sind. Dann waschen wir dein Haar und trocknen es. Dann essen wir in dem allerbesten verdammten mexikanischen Restaurant hier draußen in La Jolla. Was wir früher nie getan haben. Wie gefällt dir das?«
»Fabelhaft, natürlich, großartige Idee«, lachte sie erneut. Er fand, daß sie sich glücklich anhörte.
Sie erfüllten das Programm bis aufs i-Tüpfelchen.
Als sie in dem mexikanischen Restaurant ankamen und sie eine der Kellnerinnen wiedererkannte und plötzlich in einem fröhlichen Spanisch drauflosschnatterte, überraschte es ihn; ihr gemeinsames Amerikanisch ließ ihn oft vergessen, daß sie auch eine mexikanische Seite hatte.
Sie saßen inmitten niedriger Palmen unter weißen Ziegelgewölben. Sie verlangte, die Rechnung zu bezahlen und bestellte dann eine, wie es schien, unendliche Zahl von Gerichten mit ebenso unzähligen Zubereitungsarten. Er genoß es, nichts mehr zu verstehen, und war irgendwie stolz auf sie und darauf, ihr Gast zu sein.
Sie nannte ihm beim Essen die verschiedenen mexikanischen Namen der Speisen. Er liebte es. Obwohl für ihn mexikanisches Essen meist aus verschiedenen Pfannkuchen mit einer mehligen Füllung bestand, liebte er diese Stunde, sogar die schmachtende Gitarrenmusik der Stereoanlage und den etwas zu süßen mexikanischen Wein. Aber wenn es so sein sollte, war es richtig, sogar der mexikanische Wein. In diesem Moment gab es nichts anderes, absolut nichts.
Hier und da brannte und schmerzte seine Haut. Möglicherweise war da noch etwas, doch nur als eingekapselter Teil der Stunde wie eine Trichine.
»Wie lange bleibst du morgen weg?« fragte sie, nachdem mehr als zwei Stunden vergangen waren. Sie saßen mit einer Kaffeemischung da, die aus Tequila und Kaffeelikör bestand. Unter normalen Umständen wäre ihm das Getränk unendlich widerwärtig gewesen.
»Ich bin in L. A., bevor es abends zu spät wird. Ich reise früh, sehr früh«, brummelte er.
»Mußt du weit weg?«
»Hör mal, Tessie! Jetzt bist du genauso wie vor fünf Jahren, nein, ich habe falsch gedacht, vor zehn Jahren. Ich kann nicht sagen, wohin ich will, darf es nur andeuten. Ich werde den Tag irgendwo im Death Valley verbringen, und das ist der offizielle Grund für meine Anwesenheit hier.«
»Möchtest du tanzen?«
»Tanzen! So was Mexikanisches? Du bist verrückt.«
»Los. Komm, ich bringe es dir bei!«
Er fühlte sich jung, als er mit ihr tanzte, und genauso anonym, als wäre es damals gewesen und nicht jetzt. Nicht der Wein hatte ihn berauscht, so daß er immer noch zum Hotel zurückfahren konnte, sondern das Herumwirbeln berauschte ihn jetzt, die zunehmend der Eingebung entsprungenen, immer schamloseren und immer langsameren mexikanischen Tanzmuster.
Keiner der beiden genierte sich auch nur im mindesten. Sie fühlten sich wie beliebige Amerikaner.
Die Nazis hatten sich durch Teilung vermehrt, etwa so wie die linken Sekten der letzten Jahre.
Åke Stålhandske grinste verlegen bei dem Vergleich. Sein Chef hatte ja offenbar einer dieser linken Sekten angehört. Na, wenn schon.
Die Nationalsozialistische Schwedische Arbeiterpartei NSAP änderte ihren Namen im November 1938 in SSS, Schwedische Sozialistische Sammlungsbewegung.
Bei den Gegensätzen ging es unter anderem um das Hakenkreuz. Die siegreiche Phalanx wollte das Hakenkreuz durch schwedische Flaggen und die Vasagarbe ersetzen, unter anderem mit dem Hinweis auf das Mißtrauen politisch unbewußter Schweden gegenüber allzu ausländisch wirkenden germanischen Symbolen.
Eine der Abweichler-Organisationen hieß »Das Sonnenkreuz«. Die Sonnenkreuzler behielten trotzig ihr Hakenkreuz. Ihr wichtigster Programmpunkt war unverbrüchlicher Gehorsam gegenüber Großdeutschland.
Da aber auch die Sonnenkreuzler als Verräter an der Sache Deutschlands angesehen werden konnten, kam ein Büroangestellter und ehemaliger Obergefreiter der Marine auf die Idee, die einzig wahre Partei zu gründen, die Braune Garde.
Partei sollte die BG jedoch erst nach dem Endsieg werden.
Zuvor wollte man als Propaganda und heimliche Kampforganisation wirken und sich auf die taktisch wichtigste Aufgabe vorbereiten, nämlich vor dem Einmarsch der Deutschen in Schweden als Fünfte Kolonne zu wirken.
Für den einen Zweck wurden Flugblätter gedruckt, für den anderen stahl man mit wechselndem Erfolg Munition und Handfeuerwaffen. Die Losung der Organisation
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