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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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waren gefaßt worden. Das bedeutete natürlich, daß mindestens doppelt so viele tätig gewesen sein mußten, die man nicht geschnappt hatte - trotz des Pflichteifers der schwedischen Polizei.
    Ungefähr eintausend alliierte Spione in einem kleinen Land wie Schweden, und das während des Zweiten Weltkrieges, in dem neutralen, nach Westen orientierten Schweden, wie es in der Geschichtsschreibung des Landes hieß.
    Das war die schwedische Lieblingslüge. Das Mitläufertum sollte um jeden Preis verborgen werden, und nicht einmal Joar Lundwall schien eine Ahnung davon zu haben, was seine Landsleute in der Zeit eigentlich getrieben hatten.
    Stunde um Stunde gingen die vollbeladenen Erzzüge nach Narvik zum Weitertransport zu den deutschen Waffenschmieden. Folglich wurde der Erztransport ausgespäht. In den schwedischen Verladehäfen wurden jeden Tag zehntausende Tonnen Eisenerz für die Weiterbeförderung nach Deutschland verladen. Folglich wurden die Häfen ausgespäht. Die schwedischen Eisenbahnen beförderten während des Krieges mehr als zwei Millionen deutsche Soldaten. Folglich wurde auch der Eisenbahnverkehr ausgespäht. Überdies waren es nicht nur »Urlauber«, also Soldaten in voller Kampfausrüstung, die sich des schwedischen Eisenbahnnetzes bedienten. Deutsche Artillerie wurde ebenfalls auf diese Weise nach Nordnorwegen verfrachtet und bei Bedarf auch vom Norden des Landes nach Südnorwegen. Vielleicht war das »Munitionsunglück« in Krylbo ein Sabotageakt gegen einen solchen Zug? Vielleicht war es auch Sabotage gewesen, als 1941 im Hårsfjärden zwei Zerstörer versenkt wurden, da es bis Stalingrad oder bis zum Hårsfjärden Hauptaufgabe der schwedischen Zerstörer gewesen zu sein schien, die deutschen Geleitzüge in der Ostsee zu schützen.
    Die schwedische Marine hatte also an der Seite Deutschlands am Zweiten Weltkrieg teilgenommen. So war es. Das konnte weder ein Marineoffizier noch ein Zivilist leugnen.
    Åke Stålhandske nahm sich vor, seinen Vater bei Gelegenheit zu fragen, was damals im Hårsfjärden passiert war. Hatten die Schweden tatsächlich ihre Schiffe aus Versehen selbst bombardiert, wie eine der Theorien lautete, oder war hier der sehr junge Kollege James Bond am Werk gewesen? Oder der GRU- Unterleutnant Iwan Iwanowitsch?
    Aber damals hieß es doch noch nicht GRU?
    Nein, er war zu müde. Wenn die Polizei in Norrköping morgen früh einigermaßen geordnete Unterlagen erhalten sollte, mußte er jetzt aufhören.
    Als er sein Material eingeschlossen hatte, konnte er trotzdem nicht einschlafen. Vielleicht hatte er zuviel Tee getrunken. Vielleicht lag es an etwas anderem, das mit seinem Vater und dem Krieg zu tun hatte.
    An den Stränden von La Jolla gelang es ihnen endlich, die Zeit aufzuheben. Das Wasser war gerade einundzwanzig Grad warm, und außer ihr würde kaum jemand auf die Idee kommen zu baden. Sie hatte es schon immer geliebt, zu tauchen und zu schwimmen. Sie war Mitglied der Universitätsmannschaft gewesen und hatte sich daran gewöhnt, Männern im Wasser immer überlegen zu sein.
    Bis sie Carl begegnete, jedoch nicht an diesem Strand, sondern am Imperial Beach.
    Er hatte erklärt, daß das Wasser bei ihm zu Hause selten einundzwanzig Grad warm wurde. Diese Temperatur gelte schon als heiß. Er war irgendwie wie ein Otter, ein riesiger kalifornischer Seeotter. Sie konnte ihm auf kurze Distanz davonschwimmen, aber wenn er tauchte, verschwand er einfach. Sie hatte nie verstanden, wie es möglich war, aber es kam vor, daß er in einem Augenblick an der Oberfläche schwamm, um dann plötzlich zu verschwinden und mehrere Minuten weg zu sein. Vielleicht tauchte er zwanzig Meter tief oder schwamm hundert Meter unter Wasser weiter. Damals war es ihr unbegreiflich erschienen, doch jetzt hatte er lachend angedeutet, damit habe er sich fünf Jahre lang beschäftigt, und zwar immer, wenn er verreist sei. Und das habe am Ende alles zwischen ihnen zerstört.
    Er bekam in der Sonne leicht einen Sonnenbrand, weißhäutiger Skandinavier, der er war. Gegen Nachmittag leuchteten die Narben an seinem Körper wie rote Alarmsignale. Sie lag ihm in den Ohren, bis er ihr endlich erlaubte, ihn mit einer Sonnenschutzcreme einzureihen.
    Sie hatte ihn seit dem Morgen vorsichtig beobachtet. Doch es war, als löste sich alles, alle Spannungen des mißglückten gestrigen Essens und der Zeit danach, als sie sich zum ersten Mal ins Wasser stürzten und mit ihrem alten Spiel begannen, nämlich dem Bodysurfen auf einer

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