Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
Vom Netzwerk:
verurteilt. Einhundertvierzig arbeiteten für das Dritte Reich, dreihundertvier für die Alliierten. Zu Anfang wurden überwiegend Spione der Alliierten gefaßt, gegen Ende des Krieges, wie man schon ahnen konnte, legte die schwedische Sicherheitspolizei so etwas wie einen Zwischenspurt ein, als es um nazideutsche Spione ging, schaffte es aber nicht mehr, die alliierten Zahlen einzuholen. Einfache Mathematik. Eine einfache Beschreibung von Schwedens Neutralität während des wechselnden Kriegsglücks.
    Åke Stålhandske betrachtete die Zahlen. Seine Wut verscheuchte die Müdigkeit. Er ging in die Küche und machte sich eine neue Kanne Tee.
    Samuel Ulfsson hatte ihm Zugang zu allen Akten verschafft, die sich aus einer früher so genannten innenpolitischen Abteilung des Generalstabs erhalten hatten. Unter diesem Material befand sich ein vollständiges Verzeichnis sämtlicher Personen mit einem höheren Rang als Obergefreiter, die etwas mit extremistischen Organisationen zu tun gehabt hatten. Eine reine Fundgrube.
    Den inzwischen verstorbenen Kollegen zufolge gab es während des Krieges zwischen dreitausend und dreitausendfünfhundert Kommunisten unter den Wehrpflichtigen, zwanzig bis fünfundzwanzig unter den Berufssoldaten und Unteroffizieren, unter den Offizieren jedoch keinen einzigen.
    Åke Stålhandske verzog den Mund zu einem Lächeln über die Pedanterie, mit der diese Selbstverständlichkeit notiert wurde. Was Nazis anging, war die Lage etwas anders. Unter den Wehrpflichtigen hatte man nur dreihunderteinundvierzig Nazis gefunden und dreiundvierzig unter den Berufssoldaten. Hingegen siebzehn Unteroffiziere und achtzehn Offiziere.
    Die Namen sämtlicher Offiziere waren verzeichnet. Unter ihnen ein Major Nils Axel Agaton af Klintén, der beim Nachrichtendienst arbeitete.
    Ein Nazi beim Nachrichtendienst? Von den Kollegen ein paar Türen weiter in der innenpolitischen Abteilung sogar registriert?
    Nun, wesentlich war aber, daß sich nicht der Name eines Kapitäns der Kriegsmarine namens Ture Teofil von Otter fand, Sohn des Fregattenkapitäns Sven Hugo, geboren am 6. September 1904 in Karlskrona, und so weiter.
    Was ja irgendwie das Ziel dieser ganzen Untersuchungsarbeit war, nämlich die Unschuld von Sams altem Schiffskommandanten festzustellen. Trotzdem hatte jemand den Mann ermordet, und jemand mit definitiv politischen Gründen hatte zugleich diesen af Klintén getötet, der ja Nazi war.
    Das Problem war das auffällige Fehlen von Marineoffizieren in den alten Akten über bekannte Nazis.
    Es hatte den Anschein, als wäre es dem Nationalsozialismus schwergefallen, in den Rängen über dem Obergefreiten beziehungsweise Bootsmann bei der Marine Leute anzuwerben, woran immer das gelegen haben mochte.
    Die heimliche Schwäche aller Marineoffiziere für die eigentliche Originalmarine, die englische? Die Tatsache, daß die meisten Marineoffiziere dieser Zeit aus der Oberschicht kamen und es ihnen folglich etwas schwer fiel, »radikalen« politischen Strömungen anzuhängen, etwa dem Sozialismus und der deutschen Variante Nationalsozialismus?
    Es spielte keine Rolle. Åke Stålhandske mußte trotzdem von vorn anfangen und in all dem suchen, was in den Prozessen wegen Spionage und Landesverrat mit der Marine zu tun gehabt hatte. So hatte es beispielsweise Verfahren gegen die Braune Marine und die Braune Garde gegeben.
    Es war vier Uhr morgens, und die verstaubten Gerichtsakten lagen wie eine stumme Drohung auf dem Stuhl neben dem Schreibtisch. Er mußte am nächsten Morgen so schnell wie möglich ein paar Akten an die Polizei in Norrköping schicken.
    Dort wollte man plötzlich über Ed in Dalsland alles wissen, was mit dem Militär in Verbindung gebracht werden konnte. Das war wirklich nicht schwer zu verstehen, denn dieses Wort hatte der Mörder mit einem Messer in die Brust von af Klintén geritzt. Vielleicht hatte er bekommen, was er verdiente. Wenn auch etwas spät.
    Åke Stålhandske holte tief Luft und begann erneut die Geschichte zu lesen, wie es der Polizei gelungen war, die Braune Garde zu sprengen. Er mußte das Grundwissen perfekt beherrschen, bevor er zu Vernehmungsprotokollen und anderen Einzelheiten überging.
    Er merkte jedoch, daß er recht schnell unkonzentriert wurde. Er dachte über all die alliierten Spione nach, die geschnappt worden waren, und an den Fleiß, den die schwedischen Sicherheitsorgane ihnen gewidmet hatten. Bei den Nazi-Spionen waren sie nicht so diensteifrig gewesen.
    Dreihundertvier

Weitere Kostenlose Bücher