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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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etwas, was sie normalerweise nicht im mindesten interessiert hätte. Im Lichtschein brennender Fackeln sahen sie jedoch einige Details, die sie neugierig machten. Es hatte vielleicht etwas mit dem Gespräch dieses Abends zu tun.
    Sie sahen schwedische Fackeln, faschistische Sonnenkreuzsymbole und ein vollkommen deutliches Hakenkreuz.
    Sie schlenderten langsam mit aufgeknöpften Mänteln und den Händen in den Hosentaschen auf die Schlägerei zu, als wollten sie sich in der kalten Frühlingsluft abkühlen oder um keinen Preis einen provozierenden Eindruck erwecken, was vielleicht gerade provozierend war.
    Was sich vor den Augen der beiden Männer abspielte, läßt sich am besten als ein kleineres Scharmützel zwischen Stockholms Skinheads und den Rinkeby-Tigern beschreiben. Die Skins haßten sogenannte Kanaken wie etwa die Rinkeby-Tiger oder behaupteten, sie zu hassen, während die Gegenseite white trash oder möglicherweise Faschisten haßte.
    Der Anlaß zu dem Streit war offenkundig. Die Skinheads und ihre älteren Begleiter, möglicherweise Mitglieder des Neuschwedischen Verbands oder einer ähnlichen Sekte, die seit den dreißiger Jahren überwintert hatte, waren in der Überzahl, was sie nicht gewesen wären, wenn sie ihren Heldenkönig an einem einleuchtenderen Tag gefeiert hätten, beispielsweise an seinem Todestag, dem 30. November. In ihrem vermutlich recht improvisierten Akt von Heldenverehrung - sie hatten ein Kreuz mit blaugelben Bändern niedergelegt - waren sie von den Tigern aus Rinkeby entdeckt worden. Offenbar war es einem oder einigen der Tiger gelungen, zu dem Standbild zu laufen, den Kranz an sich zu reißen, ihn zu zerstören und Teile davon sowie ein paar blaugelbe Bänder mitzunehmen, die anschließend in Brand gesteckt wurden. Die Tiger standen ein Stück weiter weg auf der braunen, matschigen Rasenfläche und winkten mit den brennenden schwedischen Farben, um die Skinhead-Gruppe abzulenken oder zu sich zu locken. Der Grund dazu war offenkundig. Die Skinheads hatten einen der Tiger geschnappt und zu Boden geworfen. Jetzt waren sie dabei, ihn zu mißhandeln, vor allem mit Fußtritten.
    Es war einfach, die Szene politisch zu deuten. Die Skinheads waren bei der Ausübung ihrer demokratischen Freiheitsrechte provoziert worden. Die juristische Interpretation war ebenfalls einfach. Da nach neuem schwedischen Recht die Schändung schwedischer oder ausländischer Staatssymbole keine Straftat mehr ist, war hier nur eine kriminelle Tätigkeit festzustellen, nämlich die Mißhandlung eines Tigers aus Rinkeby. Vermutlich stellte sich den beiden frischgelüfteten Besuchern des Café Opera die Szene viel einfacher dar. Mehrere große Jungs prügelten auf einen einzigen ziemlich kleinen Jungen ein.
    »Hört mal, ihr Hosenscheißer, jetzt reicht’s, meint ihr nicht auch?« sagte der Finnlandschwede mit lauter, aber nicht sonderlich unfreundlicher Stimme.
    Das brachte die Missetäter ein wenig aus dem Konzept. Ihr Opfer war kaum zu einer schnellen Flucht imstande. Einer der Skins kam auf die Beine und ging gebückt, sehr breitbeinig und mit wiegenden Schritten auf die beiden Männer zu, die einzigen Zuschauer in der Nähe. Die übrige neugierige Allgemeinheit war in einiger Entfernung schemenhaft zu erkennen.
    »Pussy, Pussy, Pussy, ihr kleinen Yuppies«, sagte der junge Mann mit dem rasierten Schädel, drehte den Kopf hin und her und ließ dabei schmatzende Kußlaute hören, als hätten ihm die beiden gutgekleideten Männer unanständige Anträge gemacht, die jetzt voller Verachtung abgewiesen wurden.
    »Du bist ja entzückend«, sagte der Finnlandschwede, ohne die Hände aus den Hosentaschen zu nehmen.
    »Die schänden die schwedische Fahne, verfluchte Landesverräter. Dafür müssen sie Prügel kriegen, kapiert ihr das nicht, ihr gottverdammten Yuppies«, entgegnete der Skin.
    »Flagge heißt es, nicht Fahne«, sagte der Schwede.
    Der Wortwechsel hatte schon genügend Aufmerksamkeit erregt, so daß die beiden Männer innerhalb weniger Sekunden von Skinheads umringt waren. Der Schwede gab seinem riesigen Begleiter mit einer Handbewegung ein Zeichen. Es sollte bedeuten, daß sie sich möglichst schnell aus dem Staub machen sollten. Möglicherweise mißverstanden die aufgeregten Übeltäter die Motive der beiden Yuppies. Die Skins gingen wohl davon aus, daß die beiden keinen Streit wollten.
    Und damit war die Katastrophe plötzlich eine Tatsache.
    Der Skin, der den jammernden Rinkeby-Tiger als letzter

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