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Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder

Titel: Guillou, Jan - Coq Rouge 05 - Der ehrenwerte Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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düsteren Schweigen den Faden wieder auf. »Aber nehmen wir an, die glauben tatsächlich, daß es sich so verhält. Okay, sagen wir es der Argumentation halber. Dr. Klintén und ihre Freunde beschließen, ihren Vater zu ermorden, um so einen großen Schritt in Richtung einer besseren Gesellschaft zu tun. Ja, wir nehmen es mal an. Und ihre kurdischen Freunde in Uppsala, was für Dozenten es auch sein mögen, finden dies eine ausgezeichnete Idee. Sie wollen jetzt ebenfalls einen Beitrag leisten und finden selber einen Pensionär, den sie erschießen können. Hurra, hurra. Die Terroristen feiern ihren großen Sieg. Aber zu sicher sollen sie sich nicht fühlen können. Die unglaublich clevere Sicherheitspolizei des Landes ist ihnen auf den Fersen. Sie wissen es zwar nicht, aber so ist es.«
    Kapitän Seebär verstummte und fuhr sich mit den Fäusten über die Schläfen, als hätte er plötzlich Kopfschmerzen bekommen.
    »Ja?« sagte Rune Jansson. »So ist es, genau so sieht es aus. Und dann?«
    »Wie zum Teufel kann man zu Expressen laufen und die Verdächtigen darüber aufklären, daß sie verdächtig sind?«
    Die Frage blieb selbstverständlich in der Luft hängen. Darauf gab es keine Antwort. Es war unbegreiflich, passierte aber doch immer und immer wieder. Ständig diese öffentlichen Jagden auf Mörder, wenn die Kollegen von Säk beteiligt waren.
    »Wir werden es nicht leicht haben mit unserem Vorhaben, die alten Bekannten des Generals zu besuchen. Die werden ja glauben, daß sie ihr Bild mit einem schraffierten Hakenkreuz unterlegt in Expressen wiederfinden«, knurrte Rune Jansson. Ihm ging auf, daß der größte Teil dessen, was er sich als Fortführung der Arbeit gedacht hatte, von allen selbstverständlichen Routinearbeiten einmal abgesehen, jetzt ein Scherbenhaufen war.
    Carl hatte den Nachmittag in der historischen Abteilung der Militärhochschule zugebracht. Die Hilfsbereitschaft dort und die geradezu vernichtende Menge von Quellenhinweisen und Forschungsergebnissen, mit denen man ihn überschüttete, hatten ihn überwältigt. Mehrere der Kollegen dort waren überdies ehemalige Offiziere des Nachrichtendienstes, die in ihrer Karriere offenbar auf einem Abstellgleis gelandet waren.
    Carl war sehr schnell aufgegangen, wie unerhört durchorganisiert und bürokratisch Schweden war. Irgendwo war die gesamte Militärgeschichte des Landes seit dem achtzehnten Jahrhundert bis ins kleinste Detail verzeichnet und aufbewahrt. Das Reichsarchiv, das Kriegsarchiv und die Königliche Bibliothek würden gemeinsam einen Leutnant des Jahres 1860 ebensogut dokumentieren können wie einen Konteradmiral des zwanzigsten Jahrhunderts, und zwar bis hin zum kleinsten dienstlichen Befehl.
    Das Problem war nur eine Materialmenge, die sich an verschiedenen Stellen befand und nicht auf Disketten gespeichert war.
    Wäre all dieses gewaltige Wissen für Joars IBM-Geräte erreichbar gewesen, hätten Joar und er in weniger als zwei Tagen alles über die beiden ermordeten Pensionäre herausgefunden. Jetzt mußte alles von Hand erledigt werden, Wälzer für Wälzer. Das war keine anregende Perspektive, vor allem deshalb nicht, weil Carl die Angelegenheit nicht so dringend erschien. In der Tat war die Sowjetunion für den schwedischen Nachrichtendienst wichtiger als der alte Otter, wie sehr Sam diesen auch bewundern mochte.
    Es war schönes Frühlingswetter, und irgendwo in der Allee des Valhallavägen hatte eine Amsel begonnen, mit ihrem Gesang den Frühling zu begrüßen. Carl drehte um und ging in die falsche Richtung, um einen Spaziergang zu machen und zu schwänzen, um wenigstens eine halbe Stunde für sich zu sein, eine halbe Stunde, die ihn dieser Umweg zu den Militärstäben kosten würde.
    Er blieb abrupt stehen, als er einen Seven-Eleven-Laden erreichte und den fluoreszierenden Aushang von Expressen sah.
    Da war ein Bild Otters, komplett mit Hakenkreuz. Carl zögerte, bevor er den Laden betrat und zwei Exemplare der Zeitung kaufte. Sam würde wahnsinnig werden, das war klar.
    Carl klemmte die Zeitungen zusammengerollt unter den Arm, als hätte er etwas Schändliches gekauft, und eilte mit schnellen Schritten in Richtung zu dem armen Sam.
    Doch zunächst ging Carl auf sein Zimmer, um das Blatt zu lesen. Das Szenario kam ihm nicht sehr glaubwürdig vor, doch das war nicht so wichtig. Inzwischen stand als Tatsache fest, daß Otter ein Nazi gewesen und von Terroristen ermordet worden war. Carls Auftrag, ein Weißbuch zu verfassen, war

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